Kolumne Ich meld mich: Der Mann aus Moers
Es gibt immer einen Mitreisenden, der nervt. Weil er stets erklärt, dass es anderswo besser, schöner und bunter ist als dort, wo man sich gerade befindet.
S icher, meint der Mann aus Moers, die Orchideensammlung im Botanischen Garten von Mandalay sei ganz ordentlich. Aber auf Madeira – auf Madeira gebe es da einen Verrückten … Dieser Sammler habe nicht nur eine viel bedeutendere Auswahl an Schönheiten zusammengetragen, sondern verschicke auch Pflanzen, liefere das passende Substrat dazu, also wer den mal kennengelernt habe …
Der Mann aus Moers ist viel herumgekommen und lässt seine Mitreisenden gern daran teilhaben. Immer kennt er ein Anderswo, in dem die Schluchten abenteuerlicher, die Trachten bunter, das Essen schärfer und die Menschen aufgeweckter waren. Jedes Hier und Jetzt ist ihm nur der Ausgangspunkt für ein Dort und Damals, ein Einst und Anderswo.
Zugegeben, die Straßen in der chinesischen Provinz Yunnan seien recht sauber – aber auf denen von Singapur könne man sozusagen vom Boden essen. Der Blumenmarkt von Kunming – enorme Ausmaße, ja doch. Aber der größte der Welt im holländischen Aalsmer käme ihm doch entschieden lebhafter, pittoresker und effizienter vor. Und dass der Steinwald von Shilin besonders spektakulär sei, könne eigentlich nur behaupten, wem es noch nie vergönnt gewesen sei, im Ballon über die Kalktürme von Kappadokien zu segeln.
Der chinesische Reiseführer, Herr Li, steht dann jedes Mal mit offenem Mund da und weiß nicht so recht, was er sagen soll. Vielleicht so etwas wie: „Sagen Sie bloß?“
Kurz: Der Mann aus Moers kann einem ziemlich auf den Geist gehen. Einmal auf dieser Reise aber hat auch er seine ganz große Stunde. Als der Bus mitten im Bergland von Yunnan mit einem Reifenschaden liegen bleibt, scharen sich alle um ihn, als er mit großer Geste anhebt: „Na ja, eine Kleinigkeit wie diese kann man eigentlich nicht so richtig ernst nehmen. Wenn ich daran denke, wie damals am Karakorum-Highway unser Motor den Geist aufgab, kein Essen mehr da war und der große Wasserkanister leergelaufen war …“ Na dann!
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