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Kolumne Hosen runterBeziehungen wachsen, Haare auch

Intimbehaarung ist nicht mehr bäh. Denn wer will schon den Kopf eines Nazis zwischen den Beinen haben. „In“ sind Dutts, Locken und Mittelscheitel.

Auch möglich: ein Schamhaartoupet Foto: dpa

#x201E;Jetzt ist es so weit“, ruft Freundin M. „Ich muss untenrum unbedingt wieder wachsen lassen.“

Vielleicht müssen wir das alle, denke ich und gucke rüber in den Park, wo die Natur grade völlig aufgegeilt gangbangt. Grashalme sprießen im Zeitraffer aus dem Boden und klatschen sich johlend ab, Baumkronen werden von trillernden Vögelgruppen auf- und niedergewippt, Pollen bestäuben wahllos Blüten, Tiere und Menschen. Und Letztere tragen also wieder Haare zwischen den Beinen.

Hatte ich ja schon länger vermutet. Letztens war ich sogar extra in der Sauna, um meine These zu überprüfen, hatte aber dummerweise vergessen, dass ich keine Kontaktlinsen mehr vertrage und die Brille draußen ablegen muss, und das Einzige, was ich an dem Tag gelernt habe, ist: Die meisten Menschen haben Haare auf den Zähnen, wenn man in der Sauna über sie drüberstolpert.

Über die restliche Körperbehaarung kann ich leider keine Auskunft geben. Aber vielleicht wäre es eh noch zu früh gewesen, Spargel kauft man ja auch nicht im Februar.

Noch nicht verloren

Jetzt jedenfalls, im Frühling, wo alles wächst und gedeiht und M. sich outet, ist die Beweisführung abgeschlossen. Haare sind nicht mehr bäh. Und wenn Intimbehaarung wieder erlaubt ist, dann ist Deutschland noch nicht verloren.

Endlich, nach über 20 Jahren Kahlschlagdiktatur und Hitlerbärtchen, dürfen Haare wieder Haare sein, hell, dunkel, glatt, kraus, und irgendwann werden sie auch über diese Sachen namens AfD und Pegida gewachsen sein. Denn mal ehrlich: Wer will schon den Kopf eines Nazis zwischen den Beinen haben?

Ein bisschen genauer will ich es aber schon noch wissen. „Was sind denn die Frisurentrends dieses Jahr?“, frage ich M. „Half Bun. Das ist dieser Dutt, der aussieht wie ein Zopf. Oder andersrum. Geht auch bei Männern. Ansonsten: Undone. Locken. Messy Mittelscheitel.“

Okay, Undone ist gut. Da bleibt mehr Zeit für die wichtigen Sachen. Zum Beispiel Fragen wie: Warum soll eigentlich immer alles wachsen – Beziehungen, Brüste, Kinder, die Wirtschaft, das Vermögen, die Persönlichkeit –, aber Schamhaare nicht?

Eine Etage tiefer

Kann Intimbehaarung einen Garten ersetzen? Wäre Germany’s-Next-Topmodel-Anwärterin Kim ihren eitlen Exfreund Honey noch schneller losgeworden, wenn sie ihre Frisur auch eine Etage tiefer geändert hätte?

Eine ehemalige Freundin hat mal zu einer Immer-noch-Freundin gesagt: „Weißt du, was mir gerade auffällt? Eigentlich bist du gar nicht hübsch. Das sind nur deine Haare.“ Niemand mag Menschen, die kein gutes Haar an einem lassen. Merkt euch das.

Also los, rapunzelt das Haar herunter, von mir aus bis in die Kniekehlen, dann habt ihr nachts immer ein Kissen dabei, auf dem ihr euer Bein ablegen könnt. Nehmt einen Flüchtling darin auf. Lasst Wälder wachsen, in denen Tiere, die vom Aussterben bedroht sind, weiterleben können.

Ich gucke M. an, bin hingerissen. „Ich will auch meine Haare wachsen lassen!“

„Brauchst du ’ne Nummer? Ich hab ein gutes Studio. Die nehmen Öko-Wachs, tut dann fast gar nicht weh. Und danach ist alles schön glatt.“

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taz am wochenende
Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).