Kolumne Henningway: Die guten Schulen erschnüffeln
Treffen mit LehrerInnen finden nie nach 13 Uhr statt. Ein guter Schulleiter ist Pragmatiker, hat ein dickes Fell und ist nie zynisch.
S eit mehr als zehn Jahren gehe ich regelmäßig in Grundschulen, im Schnitt zwei bis drei Schulbesuche pro Woche. Mein Anliegen ist das eines Externen, der Schulleitern Ideen rund um Sport und Basketball anbietet. Dafür braucht es zunächst einen Termin, den man telefonisch mit der Sekretärin vereinbart. Eine ihrer Kernaufgaben ist es, für die Schulleitung wohlgemeinte Angebote von außen auf Glaubwürdigkeit zu prüfen oder abzublocken. Ich bin kein Superman, aber ich kann diese Wagenburg Sekretariat knacken, ich weiß, wie das geht.
Generell habe ich gelernt, Schulen und ihr Innenleben zu dechiffrieren, ich weiß, wo es wie und warum es läuft und ebenso weiß ich, wieso es manchmal hakt. So reden Angeber, aber das ist nun mal Resultat meiner 1.000 Schulbesuche, bei denen ich vieles lernen musste. Etwa, dass die Schule nie zu mir kommen wird – ich gehe immer zu ihr und unser Treffen findet fast nie nach 13 Uhr statt. Genauso musste ich lernen, die Geheimsprache der Schulleiter zu decodieren, um mit ihnen (fast) auf Augenhöhe über Personalkostenbudgetierung („PKB“) und Ganztagsmittel zu parlieren.
Mittlerweile kann ich manch Schule sogar (er)riechen, diesen olfaktorischen Reizmix aus Zootier, das in sauerstoffarmen Räumen gehalten wird, Kantinenküche und Putzmittel. Ich stelle mir vor, wie ich, wenn es denn die Sendung noch gäbe, mit verbundenen Augen bei „Wetten, dass ..?“ eine gute Schule erschnüffele.
Was zeichnet eine gute Schulleitung aus?
So viel zum Rahmen. Doch was zeichnet eine gute Schulleitung aus? Der gute Schulleiter bringt, soweit der Schulalltag es zulässt, das zum Thema passende Personal mit zum Treffen und zeigt dadurch, dass er vorbereitet ist. Der gute Schulleiter hat Kladde und Stift vor sich liegen (Du kannst dir sicher sein, solange er nicht schreibt, ist das, was du sagst, belangloses Geschwätz). Und der gute Schulleiter ist Pragmatiker mit Hang zum Sarkasmus, er hat ein dickes Fell, ist aber nie zynisch, und seine Augen leuchten, wenn er, trotz der plagenden Alltagssorgen, mit dir Pläne für die Zukunft schmiedet.
Zu verstehen gelernt habe ich bei meinen vielen Schulbesuchen auch, dass die Kategorie „Kaffee“ einiges über Schule erzählt: 80 Prozent der von mir besuchten Schulleiter bieten Filterkaffee an, 3 Prozent lassen eine Espressomaschine schnurren und 17 Prozent reichen einem rein gar nichts. Zählt man die Schulen hinzu, die einen gar nicht treffen wollen (eine von zehn), hat man nach 1.000 Schulbesuchen einen gewissen Überblick: Wir haben rund 80 Prozent wache, fitte und sehr liebenswerte Schulleiter, die den Laden am Laufen halten und für die und deren Aufgabe ich maximalen Respekt habe.
Filterkaffe und Strauß Blumen – nichts kann schiefgehen
Sie managen Kinder und deren Eltern, Kollegen, den Mangel, die Krisen, die Verwaltungspflichten und vieles mehr. Nebenher geben sie auch noch Unterricht. Der für mich perfekte Schulleiter unterrichtet die Fächer Sport und Mathematik, hat den Sportfachbereichsleiter beim Gespräch dabei, bietet Filterkaffee an, schreibt das Wichtige mit und hat einen Strauß Blumen auf seinem Tisch stehen. Mit diesem Typus Schulleiter kann, nicht nur im Sport, rein gar nichts schiefgehen.
Zu 80 Prozent ist der gute Schulleiter in der Grundschule übrigens eine Frau. Gerade lese ich, dass augenblicklich jede zehnte Schulleiterstelle im Grundschulbereich in Deutschland unbesetzt ist. Vielleicht sollten wir mal kurz innehalten, uns einen Kaffee machen und über die Sommerferien darüber nachdenken, woran das wohl liegen mag und was zu tun ist.
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