Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Die Suche nach Identität
Dürfen die Städte im Großlandkreis Mecklenburgische Seenplatte ihre Nummernschilder selbermachen? Gar nicht so einfach.
Z ur Stunde ist unklar, wer sich im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte beliebter machen wird: Peter Ramsauer oder Heiko Kärger. Beide haben einiges gemeinsam – sie stehen an der Spitze, Peter Ramsauer im Bundesverkehrsministerium und Heiko Kärger in der Kreisverwaltung; beide gehören Parteien mit einem C im Namen an und beide interessieren sich neuerdings für Kfz-Kennzeichen. Dabei ließe Peter Ramsauer am liebsten jede Stadt ihr eigenes Nummerschild machen, während Heiko Kärger sich bescheidener gibt. Ihm würden schon fünf verschiedene genügen.
Das war nicht immer so. Früher war Kärger in dieser Hinsicht ein Purist. Ein Kreis, ein Kennzeichen, lautete die Maxime, die allerdings schon durch das Landkreisneuordnungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern aufgeweicht wurde. Denn die bis 2011 kreisfreien Städte durften nach der Kreisgebietsreform ihre Nummerschilder behalten - weil sonst die Hansestädte Wismar (HWI), Stralsund (HST) und Greifswald (HGW) ihr Hansestadt-H hätten abgeben müssen, wird im Volk gemurmelt.
Auch Neubrandenburg, die heutige Kreisstadt der Seenplatte, hatte damit ihr altes NB sicher. Darüber hinaus hätte sich für die Mecklenburgische Seenplatte natürlich ein MSP angeboten, doch das war schon für den Main-Spessart-Kreis vergeben. Ein kurzzeitig ins Auge gefasstes SEE kam auch nicht in Frage, weil es das schon einmal für den früheren Kreis Seelow in Brandenburg gab und Seelow es gerne wieder haben wollte.
52, aufgewachsen im bayerischen Schwaben. Seit 1992 ist er Redakteur beim Nordkurier, zunächst in Templin, dann in Demmin, wo er Chefreporter im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ist.
Mit dem MSE, zu dem man sich schließlich entschieden hat, will sich aber kaum jemand anfreunden. Bei einer Online-Umfrage der Tageszeitung "Nordkurier" stimmten rund drei Viertel der etwa 4000 Teilnehmer dafür, die alten Kennzeichen beizubehalten. Rund um die Müritz hingen die Leute an ihrem MÜR, in Mecklenburg-Strelitz wollten sie das MST nicht abschrauben und in Demmin wollten das DM behalten. Mit diesem Kürzel, fühlt mancher, ist man wer in Deutschland. Schon allein, weil es an die D-Mark erinnert.
Allerdings, das muss man einräumen, waren auch nicht alle mit diesen Kennzeichen glücklich. Im mecklenburgischen Malchin beispielsweise drängten 1994 kurz vor der ersten Kreisgebietsreform Autokäufer in die Zulassungsstelle, um noch schnell ein MC zu bekommen, das abgeschafft werden sollte, und Lokalpatrioten, die ihren Wagen nicht mehr rechtzeitig wechselten, versuchten wenigstens ein MC für die zweite Buchstabengruppe zu ergattern. Daran erinnerte sich Malchins Bürgermeister Jörg Lange (FDP), als es um die Kennzeichen für den neuen Großkreis ging. Das MC könnte eigentlich auch gleich wieder eingeführt werden, sinnierte er im Kreistag.
Peter Ramsauer meldete sich in dem Streit erst später zu Wort, aber Heiko Kärger war das Ganze angesichts eines drohenden "Kennzeichensalats" doch etwas suspekt. Erst nach einem Besuch im Partnerkreis Warendorf, wo die amtlichen Blechschilder Volkes Stimmung zeitweilig ähnlich teilten, änderte er seine Meinung. Und als er das Ergebnis der Nordkurier-Umfrage kannte, war er endgültig für MSE samt MÜR, MST, DM und natürlich NB.
Jetzt liegt die Sache beim Bundesrat in Berlin. Und vielleicht auch ein wenig bei Peter Ramsauer. Zur Stunde ist deshalb noch unklar, wer sich beliebter machen wird in der Seenplatte: Minister oder Landrat. Oder aber es macht sich einer völlig unbeliebt: der Bundesrat, indem er die Kennzeichen-Freiheit einfach ablehnt.
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