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Kolumne Habseligkeiten"Wellen-waaaasss?" - "Wellensteyn!"

Kolumne
von Natalie Tenberg

Nie dachte ich, dass mir Ralph Lauren und Tommy Hilfiger einmal fehlen würden.

S ind Sie in den letzten Jahren in die Verlegenheit gekommen, eine Winterjacke kaufen zu müssen? Im Grunde müsste ich mich in diesen Momenten im Kaufhaus herumtreiben, um nach einem Ersatz für meinen gerissenen Esprit-Anorak zu suchen.

Dass ich aber noch immer zu Hause sitze, liegt nur daran, dass ich mich nicht entscheiden kann: Soll ich mir überhaupt die Mühe machen, durch die Geschäfte zu laufen, dieses und jenes anzuprobieren? Solle ich Verkäuferinnen zur Last fallen, sie immer wieder losschicken, um neue Modelle in anderen Größen aus dem Lager zu holen? Wäre es nicht weiser, den Gepflogenheiten unserer Zeit ins Auge zu sehen und einfach eine Wellensteyn-Jacke zu kaufen?

Wenn Sie jetzt "Wellenwaaassss?" fragen, bitte ich Sie, kurz einen Blick in Ihre Umgebung zu werfen. Die Sitze Ihres U-Bahn-Waggons, sofern Sie sich in einem befinden, haben sich in den letzten zwei Jahren mit Menschen gefüllt, die dunkle Jacken tragen, auf denen ein kleines Emblem prangt, das fast so ausschaut wie eine Schweizer Fahne, aber keine ist. Oder nehmen wir jeden beliebigen Sonntag am Strand von Travemünde. Wenn der Wind pfeift und sich der ganze Kreis Ostholstein zum Spaziergang versammelt, sieht man nichts als Wellensteyn.

Bild: taz

NATALIE TENBERG ist taz-Autorin und schreibt regelmäßig diese Kolumne.

In Berlin ist es so weit gekommen, dass man die Touristen nicht mehr am Lonely Planet in der Hand erkennt, sondern einfach daran, dass sie nicht in dieser auf stylisch gemachten Funktionskleidung mit Fantasienamen herumlaufen. Ein wenig geht es zu wie früher in Indien, als es keine anderen Autos gab als den Ambassador. Selbst in der Seidenstadt Krefeld flanieren die Menschen in Wellensteyn über die Wälle. Nie dachte ich, dass mir Ralph Lauren und Tommy Hilfiger, über die ich früher gerne frotzelte, einmal fehlen würden!

Modisch lässt sich der Wellensteyn-Hype nicht unbedingt erklären, denn die Anoraks dieses norddeutschen Unternehmens, das früher angeblich in Werftarbeiterklamotten machte, haben eine leichte Outdoor-Aura, was bedeutet, dass sie warm aussehen, abwaschbar sind, nicht billig, aber nicht besonders teuer. Wahrscheinlich liegt ihr Erfolg daran, dass sich die Jacke prima zum Spielplatz tragen lässt. Und dass sie trotzdem niemals mit Jack-Wolfskin-Kleidung verwechselt würde. Wer Wellensteyn trägt, landet bestimmt nicht im Modeblog "The Satorialist", muss sich aber auch nicht schämen, wenn er samstags im Getränkemarkt noch ein paar Kästen Wasser holt.

Selbst das Gefühl, dass mir die Geschichte hinter dem Kleidungsstück unglaublich bekannt vorkommt, werde ich auch nicht los. Ein Familienunternehmen auf dem absteigenden Ast erfindet sich neu und haut einen tollen Erfolg raus. Firma gerettet, Mitarbeiter glücklich, Endverbraucher noch glücklicher. Gab es diesen Gründungsmythos nicht schon einmal? Bei einer Biolimonade?

Ich warte nun auf mildes Wetter. Dann nämlich, so meine Hoffnung, wird sich die lästige Kleidungsfrage von selbst klären. Leider brauche ich auch noch eine Übergangsjacke. Aber sicher finde ich ganz schnell eine schöne von Barbour.

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11 Kommentare

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  • P
    petronius

    tja, leute...

     

    da könnt ihr marken runterbeten, wie ihr lustig seid - it's hip to be square und deshalb trage ich in wind und wetter was ganz traditionelles. einen original schladminger vom lodenwalker, warm, wasserdicht, zeitlos schick - und 100% natur ohne jedes plastik und funktionsgedöns, original von glücklichen schafen, die ihre wolle freiwillig hergeben. und zumindest hier in d so was von individuell, daß mir auf dem "wochenmarkt" in der stadt (wo dasselbe importgemüse fünfmal so viel kostet wie bei aldi) die leute nachschauen

     

    tjaaa, das gibts halt noch nicht in den piefkinesischen trendboutiquen oder im internet, das bringt distinktion, leute!!!

     

    obwohl - scheiße - zur sicherheit doch noch mal gegoogelt, und was muß ich finden... http://www.lodenwalker.at/wp/

     

    so ein mist aber auch. demnächst läuft ja doch jeder preußen-hinz und kunz im schladminger herum...

     

    ob mich dann meine von hand zwiegenähten haferlschuhe von dirndl+bua(http://www.dirndl-bua.at/dirndl_bua/default.htm) noch vor dem absturz in die uniformität retten können?

     

    fragen über fragen...

  • J
    jan-peter

    junge Frau

    wie wärs denn mal mit second-hand!

    passen Sie sich doch mal der Jacke an.

    so als erfahrung

  • T
    Timbo

    Ich danke für Deinen Beitrag.

    Es ist wirklich das erste Mal, dass ich unter einem Blog etwas kommentieren

    muss. Mir kommt es seit meiner Studizeit wirklich so vor, als sind die einzig wirklichen Spießer die Leute, die solche Artikel schreiben.

    Das ist sowas von inhaltslos...sei es drum, dass alle Leute jetzt Wellensteyn tragen, Chucks und einen Araberschal...gut Individualität sieht bestimmt anders aus...aber bist nicht Du, unbekannte Autorin die arme bemitleidenswerte Person, die sich an schnöder Markenprollerei anstößt....aber damit reihst Du Dich in die Reihe derer ein, die auf der "Wow, wir sind so individuell, weil wir jeden Markenspießer auf 100 Metern erkennen"- Welle schwimmen.

    Diese Story hat so einen Bart.

     

    Ach ja...an alle anderen übrigens noch: Bestimmt ist Wellensteyn rechtsradikal, turbokapitalistisch und viel zu established....gut, dass diese wunderbare TAZ- Community so erfrischend anders ist...tztz

  • Хвастун

    Lasst die Theorie weg, es war einfach nett zu lesen und so zutreffend. Ich sage danke.

  • FS
    Frank Schmilgus

    Ich hab so eine W-Jacke letzes Frühjahr im Schlußverkauf gekauft (es hingen noch sehr viele bei Karstadt). Der Neupreis erscheint mir deutlich zu hoch. Mittlerweile ist auch ein Druckknopf kaput. Babour trugen die eher dynamischeren meiner Lehrer damals: absolutes no-go!

  • F
    Fredy

    Nun ja, Wellensteyn ist einfach ein Hypemarke, die wieder verschwinden wird. Wie die Marken zuvor. In Meiner Schulzeit waren alle Stolz darauf, Jacken und weiteres Gerödel von NafNaf zu tragen. Ein Jahr später war dann Chevignon total hip. NafNaf war out, die Jacke von gestern und einfach untragbar, obwaohl es den Jacken an nichts fehlte. Neuzeitlich waren es dann Hilfiger, Jack Wolfskin und weitere Marken für "Outdoorjacken im Büro Träger". Meiner Meinung nach suchen die Leute immer wieder neue Marken, um sich Anfangs von der Masse durch eine "Geheimmarke" anbzuheben, um dann doch später wieder in der Masse der Markenträger zu versinken. Qualität, auch wenn si gut ist, spielt dabei eine untergeordnete Rollen, denn im nächsten Jahr ist wieder ein andere Marke hip. Sollen sie es tragen, es ist halt doch früher oder später wieder ein Uniform.

     

    Meine Meinung: Und das Rechts-Gedöns sehe ich dabei aber nicht.

  • G
    Günther

    Ich empfehle die Lektüre des Buches "The Tipping Point". Dort kann man schön nachlesen, wie durch virale Effekte Hypes entstehen. Dazu braucht es gewisser Faktoren, die ich hier in der Kürze nicht alle erwähnen kann. Wichtig ist dabei aber eine gewisse Art Mensch, die das Produkt vor allen anderen trägt oder anwendet und von den Mitmenschen als vertrauenswürdige Botschafter wahrgenommen wird.

     

    Wir neigen dazu, bestimmte Menschen aus unserem Umfeld quasi zu konsultieren oder zu imitieren, wenn es um bestimmte Dinge geht. Das kann dann auch die Bewertung eines Produktes oder einer Dienstleistung sein sowie das Tragen einer bestimmten Marke sein. Deswegen setzt die klassische Werbung ja auch stark auf so genannte Testimonials, wenn Prominente für Produkte werben.

     

    Irgendjemand wird also vor ein paar Jahren angefangen haben mit dem Tragen dieser Wellensteyn-Jacken, die ja auch zugegebenermaßen recht schick sind. Am Anfang langsam und dann immer mehr lawinenartig wurden sie "in". Gleiches gilt übrigens über die Marke Jack Wolfskin. Ich betätige schon immer innerlich einen kleinen Zähler, wenn ich wieder jemanden mit so einer Jacke mit dem auffälligen Logo (sogar hinten auf der rechten Schulter!) sehe. Auch wenn der Träger oder die Trägerin in der Regel nicht so aussehen, als wenn sie gerade auf dem Weg zu einer ausgedehnten Trackingtour in Schweden wären: Die Outdoor-Funktionskleidung ist gerade in. OB nun JW, Fjäll Räven, The North Face oder wie sie alles heißen.

     

    Die Produkte sind in der Regel recht gut, aber für den Normalnutzer ein Overkill. So wie SUVs und Geländewagen im Stadtverkehr.

     

    Ich selbst meide Marken, die ihr Logo prominent auf der Kleidung positionieren. Wenn ich als Werbetafel rumlaufe, würde ich dafür Geld haben wollen und nicht noch ausgeben müssen. Wenn ich Leute mit La Martina Hemden treffe frage ich sie immer, wo sie denn ihrem Polosport in welchem Verein nachgehen. Peinlicher als diese plakative Zurschaustellung geht nimmer!

  • G
    guenter

    ich dachte eigentlich, mammut wäre jetz die angesagte marke bei den irgendwann-mal-was-linkes-gesagt habenden arrivierten ;)

  • RB
    Reyhan Bolat

    "Wellensteyn"....ich kann mir nicht helfen, aber Wellen, See, NORDSee, Nordland, nordisch...und dann die adelig-altdeutsche Schreibweise von "Stein"...und Thor Steinar....

     

    Also ich denke, es handelt sich bei der Marke ebenfalls um eine neokonservative bis rechtsradikale Firma. Ich werde die boykottieren und solche Jackenträger kritisch beäugen.

  • J
    Jackenpöbel

    Wenn schon ein ganzer Artikel auf eine Kaufempfehlung für Barbour hinarbeitet, warum in aller Welt ist deren Online-Shop dann nicht verlinkt?

     

    Es gäbe viel zu schreiben für die taz, Produkte aus ethisch vertretbarer Produktion sind kaum erhältlich und das gilt nicht nur für Kleidung. Lifestylelinke kotzen mich an. Basht ihr ruhig weiter die Proles, aber nicht vergessen: das kaputte System, das seid ihr!

  • B
    BMH

    Worum geht es in diesem Artikel?

     

    Ist Gefahr im Verzug und es gibt ein weiteres raubtierkapitalistisches Unternehmen, das man an den Pranger stellen muss?

     

    Ist es nicht gut, dass der aufgeklärte (Wut)bürger endlich erkannt hat, dass es in Zeiten von gleichgeschalteten Main Stream Medien und "nicht an den Interessen der Bürger ausgerichteten Politikern" an der Zeit ist klassenloses Outfit zu tragen, das einen sogar vor Stuttgart 21 Wasserwerfern beschützen würde?

     

    Fragen über Fragen, Gott sei Dank habe ich neulich erst meine Übergangsjacke "Berlin" von einem Hamburger Familienunternehmen erworben, natürlich Wasser und Winddicht und dabei noch supercool aussehend.

    Gleich morgen mal anziehen.