Kolumne Habseligkeiten: "Sophie la girafe" spaltet Deutschland
Auch in Krefeld gibt es Kindergeschenke, die ins Beuteschema passen. Leider nicht nur in meins – aber zum Glück hat in Berlin noch niemand etwas von Sophie mitbekommen.
F emke aus Den Haag schrieb eine nette Karte. Sie bedankte sich für unser Geschenk zur Geburt ihrer Tochter. Die habe sich das Tierchen angesehen und für gut befunden. "Schön", dachte ich. Denn so geht es doch, oder? Sobald eine Freundin von uns ein Kind bekommt, laufen wir los, kaufen etwas Hübsches und schicken es mit vielen lieben Grüßen los. Wir bilden uns ein, einen kleinen Beitrag zum neuen Leben zu leisten. Dabei hilft es, selbst Kinder zu haben, denn die Erfahrung sagt uns: "Kaufe kein weiteres Schnüffeltuch, das aussieht wie ein Clown!"
Mit dieser Weisheit gewappnet, dachte ich, wäre ganz es easy, ein schönes Geschenk zu finden. Normalerweise gehe ich in Berlin in solche Läden, die niedlichen Retrokram verticken. Bunte, ökologisch korrekte Stofftiere, meistens handgefertigt von Frauen, die Migräne haben oder Allergien oder Lust, etwas Schönes zu machen, keinesfalls aber ihren erlernten Beruf. Diese Tiere kann man mit einem Gruß aus Berlin senden und gut ist's, wenn das Kind drauf rumkauen darf.
Die Geburt von Femkes Tochter aber erwischte mich zur falschen Zeit. Ich saß auf gepackten Koffern, wollte zwei Wochen in Krefeld verbringen. Im einzigen familiengeführten Spielwarenladen dort standen zwar lauter Sachen herum, aber nichts, was mich wirklich begeistertere. Bis ich sie sah: Eine kleine, freundlich lächelnde Gummigiraffe mit Namen "Sophie". Der hübscheste Klumpen Kautschuk, den ich kaufen konnte. Sie schaute treu aus ihren großen Augen, quietschte niedlich und lag in der Preisskala über "billig" und unter "overdone". Außerdem mochte ich Giraffen schon immer, ihren lustigen langen Hals und die hübschen Pünktchen. Sophie passte perfekt in mein Kindergeschenk-Beuteschema.
NATALIE TENBERG ist tazzwei-Redakteurin.
Noch auf dem Weg zur Post traf ich eine Schulfreundin, wir plauderten und ich erzählte stolz von Sophie. "Ja," sagte sie, die habe sie auch schon häufig verschenkt. Wie es sein könne, dass ich Sophie nicht kannte? Hatte ich nicht selber Kinder? Sophie gäbe es seit über 40 Jahren, sie käme aus Frankreich und dort dürfe man niemandem mehr damit kommen, es sei denn, man möchte als Geizhals gelten, der den eigenen Ausschuss verschenkt. Wahrscheinlich, dachte ich, gibt es irgendwo in Deutschland eine "Sophie la girafe"-Scheide, die von Norden nach Süden verläuft, bestimmt zwischen Hamm und Hannover. Westlich davon ist das Ding allen geläufig, aber die Mädchen heißen nicht so, östlich kennt es kein Schwein, dafür sind unsere Spielplätze voll mit Sophies.
Trotzdem, nun hatte ich das Geschenk ja schon, ging ich zur Post und vergaß das Ganze, bis mich Charlotte aus Belgien, genauer: der Wallonie, anrief. Sie bestätigte meinen schlimmen Verdacht: Sie hatte die Exemplare, die sie nicht mehr gebrauchen konnte, an Freundinnen in England und den Niederlanden geschickt. "Auch an Femke?", fragte ich. Ja, auch an die. Autsch! Drei Tage später stand ich in einem Geschäft in Berlin, in dem der übliche ökologisch korrekte Retrokram herumlag. Ein kleines Reh sollte Femkes Tochter noch bekommen. Und allen Freundinnen in Berlin werde ich jetzt nur noch Sophies schenken, bevor es hier zu spät dazu ist.
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