Kolumne Gonzo: Wir sitzen doch im selben Boat
Ein sehr persönlicher Brief an René Obermann, Chef der Telekom und Herr über das iPhone.
Sehr geehrter Herr Obermann,
Sie sind meine letzte Hoffnung. Sie müssen mir ein iPhone schenken. Sie bringen ja jetzt dieses wunderbare Gerät auf den deutschen Markt, auf dass alle Apple-verrückten Kindsköpfe sofort in den nächsten verfügbaren t-mobile-Laden laufen, um sich sofort ein Wundertelefon zu holen. Und ich bekenne gerne: Auch ich bin ein Apple-verrückter Kindskopf oder, um es vielleicht in Worten auszudrücken, die Sie besser verstehen können, ein "early adopter", einer, der sich jedes neue technische Gerät sofort kauft, weil er denkt, er brauche es. Und ich schwöre: ich würde mir sofort eines kaufen, um Ruhm und Profit Ihres großartigen Unternehmens zu steigern. Aber mal ehrlich: 399 Euro für das Gerät! 25 Euro für die Einrichtung! Und dann noch mindestens 1.176 Euro Gebühren für den Zweijahresvertrag! Herr Obermann, das kann sich doch niemand leisten! Also ich jedenfalls nicht.
Stefan Kuzmany (34) lügt wie gedruckt. Auch online. Aber nur in seiner Gonzo-Kolumne. Andererseits: Auch diese Information könnte eine Lüge sein.
Lieber Herr Obermann, Sie haben ja jetzt eine neue Freundin, die Frau Illner aus dem Fernsehen, die mit der etwas schrillen Stimme. Also nichts gegen Frau Illner, die ist großartig, eine intelligente und schöne Frau. Aber sicherlich können Sie als frisch Verliebter gut nachvollziehen, in welcher Situation ich mich befinde. Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden Ihrer Freundin, der verehrten Frau Illner, so nebenbei beim Abendessen sagen, dass Sie eine kleine Anschaffung vorhaben, die Sie zwar zunächst bezahlen könnten, die aber langfristig gesehen Ihrer finanziellen Situation nicht ganz angemessen wäre, also zum Beispiel was wäre das denn in Ihrem Fall gar nicht so einfach nun ja, nehmen wir an, Sie würden Ihrer Freundin sagen, Maybrit, mein Schatz, da gibt es ja jetzt dieses neue Speedboat, Baia Atlantica 78, das ist sooo super, ich könnte damit ganz schnell übers Meer brausen, wenn wir mal am Meer sind, Maybrit, versteh bitte, ich muss es haben, ich muss einfach. Und stellen Sie sich vor, was Frau Illner dann antworten würde, also rein hypothetisch, vielleicht würde sie sagen, René, brauchst du so etwas wirklich? Und sie würde fragen: Was kostet das denn? Och, würden Sie sagen, eher so nuscheln, damit sie es nicht genau verstehen kann, nur 2,9 Millionen. Sprich bitte deutlich, würde Frau Illner sagen. 2,9 Millionen Euro, Schatz, würden Sie antworten.
Und dann, lieber René, ich darf Sie doch René nennen, wir sitzen ja gewissermaßen im selben Boat jetzt, dann würde die liebreizende Frau Illner ihre ja doch etwas schrille Stimme erheben und von "Vernunft" reden und "Spinnerei" und vielleicht würde auch das Wort "Kindskopf" fallen, und die Sache mit dem Speedboat könnten Sie getrost vergessen.
Aber er würde weiter an Ihnen nagen, der Gedanke an das Speedboat. Und bald würde jeder um Sie herum so ein Speedboat haben, die ganzen anderen Vorstandsvorsitzenden würden damit angeben und Sie auf dem Meer überholen, wrumm-wrumm würden die machen mit ihren Speedboats, nur Sie, René, hätten keins.
Lieber René, ich sag jetzt einfach mal du, du wirst verstehen, dass es nicht so kommen darf. Wir müssen zusammenhalten. Und deshalb musst du mir ein iPhone schenken. Wenn ich den deutschen Speedboat-Markt kontrollieren würde - du wärst der Erste, dem ich eines zukommen ließe. Versprochen.
Du würdest es auch bestimmt nicht bereuen, mir ein iPhone geschenkt zu haben. Niemals würdest du von mir hören oder lesen, dass das iPhone zu teuer ist. Nie würde ich sagen oder schreiben, dass die eingebaute Kamera längst nicht mehr dem Stand der Technik entspricht oder dass die armen Chinesen, die das iPhone zusammenbauen müssen, unter schlimmen Bedingungen arbeiten müssen. Und über die bescheuerte Politik, das iPhone an einen einzigen Anbieter zu binden und keine Fremdsoftware zuzulassen, würde ich ebenfalls schweigen. Denn der Anbieter bist ja du, bester René, und guten Freunden sagt man doch nichts Schlechtes nach. René! Lass mich jetzt nicht hängen!
Es grüßt dich ganz herzlich
Dein alter Kumpel Stefan
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland