Kolumne Gerüchte: Bin ich ein Spießer?
Wenn frisch gebackene Wohnungseigentümer über "Kehrwoche"-Schilder, Hausordnung, Mahnbriefe und gut-nachbarliche Sitten nachdenken.
H eute Morgen musste ich lachen. Und zwar als ich las, dass ausgerechnet derjenige Bankmanager, der als Vorstandsmitglied der Bayerischen Landesbank mitverantwortlich war für den Milliardenverlust an Steuern bei der Übernahme der Gangsterbank Hypo Adria, dass also genau jener Obergangster heute der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Banken ist. Der also gegenüber der Politik die Interessen der deutschen Banken vertritt.
Das ist superlustig. Das ist ungefähr so, als würde man den Ausbrecherkönig Thomas Wolf zum Gefängnisdirektor ernennen, weil er am besten Bescheid weiß über die Tricks und die Lücken im System.
Ich frage mich, ob man als Bankmanager automatisch zum Arsch wird oder ob man nur als Arsch zum Bankmanager aufsteigen kann? Ich frage mich deshalb, weil auch ich gerade eine Metamorphose durchlebe, ausgelöst durch einen Statuswechsel.
Ich bin vor wenigen Monaten zum ersten Mal in meinem Leben Hausbesitzer geworden, kein ganzer und kein halber, aber immerhin gehört mir eine Wohnung in einem alten Haus, in dem noch mehrere Studenten-Wohngemeinschaften leben. Wir duzen uns alle, einen kleinen Garten teilen wir uns.
PHILIPP MAUSSHARDT schreibt vertretungsweise die Kolumne von Barbara Dribbusch, die sich ihrerseits dem Bücherschreiben widmet.
Vor drei Tagen hat die WG aus dem 1. Stock ein Gartenfest gefeiert. Gut, mitten in der Woche, habe ich mir gedacht, als ich gegen vier Uhr morgens noch nicht einschlafen konnte, da habe ich wohl früher auch mehr die Sau rausgelassen als heute. Aber war ich damals auch so laut?
Ich hatte den Studenten noch meine Bierbänke aus dem Keller hingestellt, jetzt bedauerte ich es. Am nächsten Morgen sah es im Garten aus wie eben nach einer herausgelassenen Sau: Plastikbecher lagen herum, Kippen überall und Bierflaschen im Gras.
Auch einen Tag später und noch einen Tag später hatte niemand der Damen und Herren Studenten den Müll wieder eingesammelt.
Lag meine Wut darüber etwa daran, dass es jetzt auch "mein" Garten war? Wurde ich nur deshalb zum Spießer, weil der Garten nun einmal mir gehörte?
Ich setzte mich hin und formulierte schriftliche Hausregeln. Punkt eins: Feste nur nach vorheriger Absprache. Punkt zwei: Nachtruhe unter der Woche ab 22 Uhr. Punkt drei: Müllbeseitigung unmittelbar nach dem Fest.
Eine Woche zuvor hatte ich schon einen Brief geschrieben, an den Besitzer des Nachbarhauses. Von dort waren mehrfach leere Bierflaschen in meinen Garten geworfen worden. Ich bat darum, die entsprechenden Bierflaschenwerfer auf gut-nachbarliche Sitten und Gebräuche hinzuweisen.
Briefe schreiben, Hausordnungen entwerfen, bald werde ich mit meiner Laubsäge das "Kehrwoche"-Schildchen aussägen und im Hausflur aufhängen, denn das Treppenhaus sieht schrecklich aus.
Als der Müll im Garten auch am zweiten Tag nach dem Fest noch nicht aufgeräumt war, klingelte ich an der Wohnungstür, eine junge Studentin war gerade dabei, ihr langes blondes Haar zu bürsten.
"Sagt mal, könnt ihr nicht euren Müll aus dem Garten aufräumen?", fragte ich höflich. Sie schaute mich mit großen Augen an.
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