Kolumne German Angst: Die Hartz IV-Debatte nervt? Gut so!
In der SPD reden sie plötzlich über ein Ende von Hartz IV. Ernstgemeint? Nein. Das ist sozialdemokratisch für Lohndumping.
„Wir brauchen eine Alternative zu Hartz IV“, sagte gerade SPD-Vize Ralf Stegner. Vizechefin Malu Dreyer meinte, am Ende der Diskussion „könnte das Ende von Hartz IV stehen“. Karl Lauterbach: „Das System Hartz IV funktioniert nicht richtig. Es diskriminiert und macht echte Aktivierung fast unmöglich.“ – Nanu?! Ist das das Ende des Hartz-Systems? Der Start für ein existenzsicherndes Grundeinkommen?
Nein. Das „Grundeinkommen“ ist sozialdemokratisch für „gemeinnützige Arbeit“, also Arbeit für einen Minimallohn. Subventionierung von Lohndumping. Das Prinzip Aufstocker, das heute schon 1,2 Millionen an die Hartz-Gesetze bindet, weil der Staat lieber eine gigantische Sanktionsbürokratie füttert, als ordentliche Löhne durchzusetzen.
Das neue Branding „Grundeinkommen“ zeigt aber auch, dass Hartz IV in Misskredit geraten ist. Endlich. Absurderweise und ganz nach Hartz-Logik aber nicht wegen des Menschenverschleißes, sondern wegen der extrem hohen Kosten. Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, sagt im Spiegel: „Von dem Geld, das wir in der Grundsicherung erhalten, geben wir (…) 38 Prozent für die Eingliederung der Menschen aus und 62 Prozent für die Verwaltung. Das ist ein Missverhältnis.“
Der folgende Ruf nach „Vereinfachung“, wie er auch in der SPD-Debatte angelegt ist, meint aber nicht die Abschaffung der teuren Sanktionen. Es meint nur Re-Branding, mit dem die SPD kurz vor der Bedeutungslosigkeit noch etwas Scheiße am Schuh loswerden möchte. Oder in Scheeles Worten: „Ich warne aber davor, das ganze System infrage zu stellen. Dafür gibt es keinen Anlass.“
Seit 16 Jahren ruiniert Hartz IV Menschen. Spaltet in welche mit und welche ohne Möglichkeiten – wer kann, der kann (ins Kino, Schulessen oder Klassenfahrt bezahlen, Wohnung, Urlaub, Essen nach Wunsch) und wer nicht. Das Öl der Maschine ist das Mantra, jedeR hätte selbst Schuld an der eigenen Misere. Angst. Hilflosigkeit. Scham.
Das ist, was fünf Änderungsbescheide im Monat machen, und die Debatte à la „Wer sanktioniert wird, soll auch nicht essen. Aber hey, hungern muss man hier ja nicht!“ – Aber heizen scheinbar auch nicht. Oder Miete zahlen. Wer sanktioniert wird, hat übrigens keinen Zugang mehr zur Tafel. Soll also wohl doch nicht essen. Aber egal. Das alles am Laufen zu halten, lässt man sich gern ein paar Milliarden im Jahr kosten.
Trotz allem ist es gut, dass die Hartz-Gesetze wieder auf dem Tableau sind. Das nervt? Soll es auch. Zu dieser Armutsmaschine ist nie genug gesagt. Und vielleicht reicht der Druck diesmal aus, um zum Beispiel endlich das Verwaltungsgerichtsurteil zur Zulässigkeit der Sanktionen zu erwirken. Ralph Boes klagte gegen die Sanktionspolitik. Vor fast drei Jahren reichte das Sozialgericht in Gotha die Klage an Karlsruhe weiter. Seither liegt sie dort.
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