Kolumne Geräusche: 23 Minuten und 31 Sekunden!
Wie mich einmal der Dudelfunk als Hörer zurückeroberte, und zwar handstreichartig.
I rgendwann hatte ich aufgehört, Radio 1 zu hören, und ein offizielles Moratorium verkündet. Nach dem Moratorium, sagte ich mir, würde nichts mehr so sein wie zuvor. Das Problem mit Radio 1 ist, vom derzeitigen Revival des Revivals eines früheren Revivals der Musik der achtziger Jahre mal abgesehen, dass, wenn Radio 1 mal gescheit reinkommt, meistens zwei Moderatoren scherzhaft einander oder harmlose Anrufer anpöbeln. Wahrscheinlich macht man das heute so, damit die Leute dranbleiben. Ich kann diesen Ton nicht ab. Es fühlt sich an, als wäre ich in der U-Bahn unversehens ins Plapperkreuzfeuer leutseliger Idioten geraten. Spaßfaschistisches Hintergrundgebrumm.
Nun haben wir in der Küche ein Radio stehen, ein Geschenk wohlwollender Leute, das ausgerechnet dort, in der Küche, für Sender aller Art nicht wirklich empfänglich ist. Dabei handelt es sich um den Maserati Quattroporte unter den Monoempfängern, ein Modell One von Tivoli in vornehm reduziertem Retrodesign. Entsprechend etepetete thront das Radio also auf dem Küchenschrank wie eine exklusive Wohnmaschine von Le Corbusier auf einem Felsvorsprung. Es sendet tadellos, wenn der Sender frisch eingestellt wird - und beginnt zu britzeln und zu röcheln, sobald ich zwei Schritte in Richtung Spülmaschine gehe. Wahrscheinlich bin ich dem feinen Radio im Weg. Oder einfach nicht elegant genug.
Und wenn dann doch mal etwas reinkommt, dann nur seltsame Sachen wie dieser russische Propagandasender aus einem Mittelwellenparalleluniversum, in dem rund um die Uhr Marschmusik versendet und über die "Eurrrrropäische Union" geschimpft wird. Eine Weile probierte ich's mit verschiedenen Inforadios, was - nach einer Weile - nervt, weil dort Infos in Schleifen gesendet werden. Einzige Alternative fürs kontemplative Rumwerkeln in der Küche ist der Deutschlandfunk. Deutschlandfunk! Gebenedeit bist du unter den Sendern, lässt man mal das Pausen füllende Gebratsche beiseite! Da freut sich der Studienabbrecher an Wissenswertem über Napoleons Code civil, das Konzil von Nicäa, den Reformrabbiner Abraham Geiger, Quantenphysik, die Marotten von Arno Schmidt oder, äh, einen tollen ökumenischen Gottesdienst aus Krefeld … britzel, röchel.
Mitten im Vaterunser drehe ich also wieder mal suchend am Rad, als plötzlich ein helles "Plink" ertönt, dann noch mal: "Plink." Kann das sein, dass hier tatsächlich … PLINK?! Aber ja! "Echoes" von Pink Floyd! Im Radio! Das kann nicht sein, dass die jetzt die vollen 23 Minuten und 31 Sekunden ausspielen, aber sie tun's. Gnadenlos, sogar das fünfminütige Nebelkrähengeschrill in der Mitte. Bin baff. Stehe da, gerührt von Donner und Dankbarkeit. Wer zum Teufel …? Oh, Radio 1. Tja, was soll ich sagen? Moratorium abgelaufen. Alles ist, wie es vorher war.
ARNO FRANK ist taz-Redakteur. Er kann lesen und schreiben. In seiner Freizeit spielt er gerne Flipper, hört schlechte Musik, schaut sich gute Pornos an und erschlägt manchmal kleine Hunde.
Text: "Overhead the albatross hangs motionless upon the air/and deep beneath the rolling waves/in labyrinths of coral caves/the echo of a distant tide/comes willowing across the sand/and everything is green and submarine." (Pink Floyd)
Musik: Das hilfreiche Geheul des Staubsaugers.
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