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Kolumne GeräuscheWie klingt katholisch?

Ambros Waibel
Kolumne
von Ambros Waibel

Wer schon vor Rom das Nach-Rom fürchtet, kann trotzdem Atheist sein.

W as genau uns auf Klassenfahrt in Rom dazu antrieb, von der Dachterrasse des nonnenbetriebenen Gästehauses verbotene Früchte fallen zu lassen - ich erinnere mich nicht. Aber das satte Plop, das entsteht, wenn eine Wassermelone hoch beschleunigt in einem Innenhof explodiert, habe ich noch im Ohr. Es ist eines meiner Rom-Geräusche.

Ein paar Jahre später mietete ich mich in einer charmant-heruntergekommenen Pension in Venedig ein. Der Besitzer war ein mittelalter, schwuler Römer, den es in den gefühlten Norden verschlagen hatte. Er trug immer einen dicken Schal, die Nase lief -und er seufzte, er seufzte den ganzen Tag: Ach Rom, wieso habe ich dich verlassen?

Jetzt, wo ich auf dem Sprung bin, drei Wochen als Austauschjournalist bei Radio Vatikan zu arbeiten, habe ich ein bisschen Bedenken: Wie wird es sein, wenn ich in den deutschen Frühwinter zurückfliege? Welches Geräusch wird mir dann nicht mehr aus dem Kopf gehen? Die Glocken von St. Peter? Das Credo? Ich bin ja leicht zu verführen.

Bild: taz

Ambros Waibel ist Meinungs- und tazzwei-Redakteur der taz.

Vielleicht ist es ganz gut, noch mal die eigenen Position festzuschreiben, bevor man dem Herzen des Katholizismus beim Schlagen zusieht. Ich bin Atheist; das bedeutet, ich glaube nicht, dass es keinen Gott gibt, ich weiß es - frei nach dem beliebten Postkartenmotto: "Ich bin kein Klugscheißer, ich weiß es wirklich besser."

Ebendeswegen muss ich gegen Religiöse und Religiöses überhaupt nicht eifern. Ich liebe Weihnachten, und ich bestärke meine Kinder im Glauben an ihren ganz persönlichen Schutzengel. In der neokatholischen Randalepublizistik à la Mosebach und Matussek sehe ich eher den ohne Bußrituale wohl nicht zu bewältigenden Abschied von anderen Drogen. Groß stören tun die Good Old Boys aber nicht: Oder liest das wer?

Ein römisches Sprichwort sagt: "A Roma si fa la fede - e fuori si ci crede", was ungefähr bedeutet: "In Rom wird der Glaube gemacht, der Rest der Welt muss dann dran glauben." Das ist der Katholizismus, mit dem ich aufgewachsen bin, ein liberaler, wurschtiger, 1970er-Jahre-Großstadtkatholizismus. Wir Kinder mussten so lange in die Kirche gehen, bis mein ältester Bruder sagte, für ihn sei es jetzt genug. Und da mein Vater zwar wollte, dass wir gingen, aber selber keine Lust hatte, mitzukommen, konnten wir kleinen Restbrüder durchsetzen, auch nicht mehr zu gehen. Die in Analogie zu den Islamisten vielleicht "Katholizisten" zu nennenden Radikalen lernte ich erst später kennen, ob im heiligen Tirol oder in der norddeutschen Diaspora.

Aber dem Katholiken steht der Fanatismus so schlecht wie dem Lutherischen die Lebensfreude. Katholizismus ist eher "A Deal With God" (Kate Bush): Ich zahle und beichte, du lässt mich in Ruhe.

Es war wohl auch dieser Gott, zu dem die von katholischen Funktionären gequälten und vergewaltigten Kinder und Jugendlichen in ihrer Verzweiflung beteten. Aber auch für sie konnte er nichts tun. Er nicht.

Text: Wenn am conto is a debit: Dona nobis unam credit (Biermösl Blosn). Musik: Bridge Over Troubled Water (Simon & Garfunkel)

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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