Kolumne Geht’s noch?: Verliebt ins Überleben
Bauminister Seehofer hat einen Plan: Wer sich in den Städten kein Dach über dem Kopf mehr leisten kann, dem stehen blühende Landschaften offen.
M an müsse halt aufs Land ziehen, sagt der Seehofer Horst diese Woche der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einem Interview, in dem er in seiner Eigenschaft als Bauminister zur Wohnungsnot befragt wird. Da gebe es nämlich noch Wohnraum zuhauf. Die Bürger seien zu sehr „in die Städte verliebt.“
Das erinnert an die Methode Sarrazin: Wer nichts leistet oder nicht genug oder schon genug, dafür aber nicht angemessen bezahlt wird, hat sich eben warm anzuziehen statt zu heizen, und zum Abendessen gibt’s geschnitten Tütenbrot. Und anstelle einer Wohnung in der Stadt, so der Sarrazinhofer, stünde für die Loser, die nicht mehr in die Stadt hineinpassen, nun eben eine Hütte irgendwo im Sumpf bereit. Nicht ohne Humor bebildert die FAZ ihren Kommentar mit einer leeren Straße im brandenburgischen Oderberg. Nicht mal ein Tumbleweed ist dort zu sehen.
Weiß Seehofer denn überhaupt, was „verliebt“ bedeutet? Das ist ein Zustand jenseits jeder Vernunft. Wie CSU zu wählen. Als könnte man sich das aussuchen! Und natürlich sind wir verliebt in die Großstädte. Einfach deshalb, weil wir nicht sterben wollen. Denn auf dem Land ziehen die Ärzte weg und die Nazis bleiben da. Gesund ist das nicht. Wir wollen auch nicht vereinsamen, weil die DB schon wieder eine Nebenstrecke dichtgemacht hat. Keiner besucht uns, und – perfider Plan – keiner kommt mehr weg.
„Es darf keine Region in Deutschland ausbluten“, sagt Seehofer. Zu spät: Schließlich hat der Staat, der ja auch Seehofers Staat ist, jahrzehntelang dafür gesorgt, dass die ländlichen Gebiete infrastrukturell abgehängt werden. Er verscherbelt die Bahn, und das nunmehr privatisierte Unternehmen stellt sich – Überraschung! – als gar nicht so lieb heraus. So lässt es seinen ICE wie zum Hohn in Sichtweite genau zwischen Magdeburg und Stendal hindurchrasen. Winkt mal, Kinder – da draußen ist das Land.
Und dann noch Charlotte Roche
Auf dem Land sei es schön, schrieb auch Charlotte Roche nach der reifen Erfahrung bereits mehrerer Wochen Landleben ins SZ-Magazin hinein. In der Stadt seien, so Roche in ihrer lebensklugen und ausgewogenen Art weiter, alle krank, kriminell und drogensüchtig. Gestern wohnte sie noch dort – da waren dann natürlich alle auf dem Land die Arschlöcher.
Apropos, selbst der Autor hat im Wald stets eine deutlich bessere Verdauung. Die Ruhe, die Luft. Aber Scheißen ist nun mal nicht alles. Soll doch Seehofer aufs Land ziehen, da gehören die Rindviecher ja auch hin.
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