Kolumne Frauen: Andere Länder, andere Sitten
Japanische Pornos sind schwer zu verstehen - und das liegt nicht nur an der Sprache. Japanische Frauen stöhnen nicht beim Sex, sie quieken. Nach Spaß klingt es jedenfalls nicht.
U m gleich mal zur Sache zu kommen: Japanische Frauen stöhnen nicht beim Sex, sie quieken. Oder vielleicht trifft "wimmern" es besser. Nach Spaß klingt es jedenfalls nicht.
Anders die japanischen Männer. Sie scheinen den Geschlechtsakt durchaus zu genießen - wenn man die ausgestoßenen Laute richtig deutet (und mit dem "Lesen" bestimmter Verhaltensweisen kann man als Ausländer in Japan ja auch ganz schön danebenliegen). Wie Schweine im Schlammbad grunzen sich die Herren der Schöpfung zum Höhepunkt.
Da lag ich also im Bett eines Kapselhotels im Tokioter Vergnügungsviertel Shibuya und guckte einen Porno. Der von der Decke der mir zugewiesenen Wabe hängende Fernseher hatte nur vier oder fünf Programme, in denen Sendungen liefen, die ich allesamt noch weniger verstand als das Schauspiel, das wechselnde Paare an wechselnden Orten zur Aufführung brachten. Deswegen blieb ich beim Durchzappen immer wieder auf dem Pornokanal hängen - na gut, das glaubt mir ja eh keiner, nicht nur deswegen.
Vor allem blieb ich hängen, weil der Porno eigentlich gar keiner war, denn die für das Gelingen einer Paarung entscheidenden anatomischen Details waren zwar, nach der Geräuschkulisse zu urteilen, durchaus vorhanden, aber nicht zu erkennen (über deren individuelle bzw. landesspezifische Ausprägung kann der Autor dieser ethnologischen Studie deshalb über Mutmaßungen hinaus leider keine Aussagen treffen).
Irgendwo in Japan müssen also bienenfleißige Arbeiter in einem wie das ganze Land auf acht Grad Celsius heruntergekühlten Kabuff sitzen und Pornovideos verpixeln. Als Einzige sehen sie, was uns vorenthalten wird. Das nennt man dann wohl Herrschaftswissen. Kann man sich - vorausgesetzt natürlich, man ist Japaner - auf eine solche Stelle bewerben, oder muss man dafür vorgeschlagen werden?
Und wenn Letzteres gilt: Macht der Kaiser das persönlich, oder gibt es dafür eine Kommission? Muss man eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben, oder schwört man gleich auf die Verfassung, keine intimen Details auszuplaudern oder gar unverpixeltes Filmmaterial in Umlauf zu bringen? Und welche Strafe droht bei Zuwiderhandlung? Entmannung? Und bei Frauen?
Leider habe ich bislang niemanden gefunden, der mir all die Fragen beantworten konnte, die ich mir in meiner Kapselhotelwabe gestellt habe: Ich habe mich nämlich nicht mehr getraut, irgendjemand nach irgendetwas zu fragen, nachdem ein Japaner auf der Straße vor mir weggelaufen ist. Dabei wollte ich doch nur wissen, wie mein Bruder und ich zu unserem Hostel kommen.
Ohnehin hatte ich in zweieinhalb Wochen Japanurlaub weniger Kontakt mit der Zivilbevölkerung als Bundeswehrsoldaten im Afghanistaneinsatz. Dabei war ich ständig von Menschen umgeben. Die Einzigen, mit denen ich sprach, waren Verkäufer, Kellner oder Rezeptionisten; die Einzigen, mit denen ich mehr als nötig sprach, waren die Kellnerinnen und der Barmann im Lieblingscafé meines Bruders - was natürlich auch daran liegt, dass viele Japaner kaum besser Englisch sprechen als ich Japanisch. Und ich kann kein Wort.
Unter diesen Umständen war auch eine Annäherung an japanische Frauen undenkbar. Hin und wieder, in der U-Bahn etwa, spürte ich verstohlene Blicke auf mir, dem blonden Riesen, doch mich offen anzugucken oder gar anzulächeln hat keine Dame gewagt. Dass ich es nur nicht gesehen habe, weil sie wie so viele Japaner aus Angst vorm Leben Mundschutz trugen, halte ich für ausgeschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker