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Kolumne Flimmern und RauschenDer Brexit und die Medien

Haben Medien mit ihrer Berichterstattung populistische Tendenzen und damit den Brexit gestützt? Eine Studie sagt ja.

Hat diese Zeitung was mit dem Brexit zu tun? Foto: reuters

A ls ich heute Morgen die Startseite der taz aufrief, rief mir die Banner-Anzeige fröhlich zu, ich möge mich warm anziehen; das Britische Pfund, stand da auf Englisch, sei laut einer neuen Studie „worth nothing“, also nichts mehr wert.

Nun ist das mit dem Warmanziehen so eine Sache – mit 32 Grad sollte das Thermometer gestern noch mal locker den Leipziger Balkon (Winke-Winke!) einholen. Selbst bei den Briten ist dieses Jahr so richtig Sommer, vor allem im Süden Englands.Der allerdings durch eines überschattet wird, jedenfalls wenn man ihn nicht mag: den Brexit.

Zwar sind politisch offiziell Sommerferien, aber so richtig klappt das nicht – und in den Medien schon gar nicht. Wobei die alten Gewissheiten allen neuen Erkenntnissen zum Trotz bislang noch nichts an der Systemverteilung geändert haben: Die Daily Mail, der Daily Telegraph, die Times und Rupert Murdochs Fox News sind weiter treu auf „leave“ programmiert.

Und bei manchem Kommentar schwingt sogar Freude durch, dass man jetzt vermutlich auf einen harten Brexit zuschlittert, für den natürlich ganz allein Brüssel verantwortlich ist. Der Guardian und der Independent trommeln derweil tapfer für ein zweites Referendum, und die Financial Times gibt ganz im Dienste der Finanzwelt die Hoffnung nicht auf, dass da doch noch ein Deal geht.

Durch Medien groß geworden?

Die gute, alte BBC wird derweil von beiden Lagern wegen ihres „bias“ – also einer angeblichen Bevorzugung der jeweils anderen Seite – angefeindet.

Welchen Einfluss trotz aller Sozialdienste auch die klassischen Medien auf die Debatte haben, ist evident. Und eine neue Untersuchung des British Journal of Political ­Science stellt mit Blick auf den britischen Politrechtsaußen Nigel Farage und seine UK Independence Party (UKIP) eine auch uns bekannte Frage: Haben die Medien durch ihre fette, zum Teil auch mild hysterische Berichterstattung die Partei nicht erst groß gemacht?

Die Antwort, so die Forscher der University of Southhampton, lautet – ja. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass mediale Berichterstattung die Unterstützung rechter, populistischer Parteien substanziell fördern kann“, schreiben sie in dem Papier – und diese positiven Effekte ließen sich auch dann nicht wieder in die Tube zurückdrücken, wenn neue, die populistische Propaganda widerlegende Dinge an den Tag kämen.

Daraus zu schließen, die Medien seien wie immer an allem schuld, springt aber zu kurz: Sie unterstützen wie immer zwar Trends, setzen sie aber nicht selbst. Sich dieser Mechanismen bewusst zu sein, schadet aber nicht, so die Autoren der Studie mit gediegenem britischen Understatement – „besonders für JournalistInnen“.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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