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Kolumne Finnisch für AnfängerGeliebte Margarine

Ines Kappert
Kolumne
von Ines Kappert

Japanisch? Mediterran? Gibts nicht. Dafür Butterersatz und Würstchensuppe – kulinarisch steckt der Norden in der Dauerkrise.

E ssen in Finnland ist ein Problem. Nicht weil alles grauenhaft schmecken würde, sondern weil die Küche so gnadenlos langweilig ist. Fatal erinnern die Nationalspeisen an deutsche Gerichte - vor jedem kulinarischen Kontakt mit nichtdeutschen Nachbarn. Die alte deutsche Esskultur ist wohl über Estland nach Finnland gewandert. Ob Matjes, die kleinen Fleischklöpse mit Beerenmarmelade oder die Suppe mit Kartoffeln, Karotten und Lachsstückchen - alle Gerichte könnten auch im "Kiehnle Kochbuch" stehen, das noch in den 70ern in keinem ordentlichen deutschen Haushalt fehlte und der geschäftigen Hausfrau das Kochen mit Ketchup und Konserven empfahl. "Die Japaner machen aus Algen tolle Sachen, Algen!", stöhnt mein finnischer Bekannter, Besitzer einer kleinen Helsinkier Werbeagentur. "Und wir? Wir freuen uns immer noch darüber, dass wir die Kartoffel kennen."

Bild: taz

Ines Kappert ist Redakteurin im taz-Meinungsressort.

Wir gehen zum Lunch in ein kleines japanisches Restaurant, anschließend trinken wir Espresso in einem der wenigen Läden, die italienischen Kaffee verkaufen. Um uns rum nur hippe Leute in den Dreißigern. Ansonsten trinkt der Finne auch in der Hauptstadt mit Leidenschaft in Wärmekannen beherbergten Filterkaffee. Zum Mittagessen übrigens schluckt er in aller Regel Milch, pur. Übersteigen die Außentemperaturen 20 Grad, lässt er verwegen ein paar Eiswürfel ins Glas gleiten. Und Margarine - auch sie gehört zum täglichen Verzehr des Durchschnittsfinnen. Er und sie schmieren sie aufs Vollkornbrot und genießen sie als zusätzliche Beilage, zur Würstchensuppe mit Kidneybohnen und Büchsenmais. Im Supermarkt wird der Butterersatz gleich meterweise im Kühlregal feilgeboten, wie auch die Milchprodukte in der Regel fettreduziert. Mit Gemüse, gar Früchten hingegen ist man hier vorsichtig. Die Erdbeere wird geschätzt, auch Gurke und Karotte. Letztere kann man, wie die Banane, sogar als Fairtrade- und Bioprodukt kaufen. Ansonsten finden sich im gemeinen Supermarkt keine Bioangebote.

Da hilft nur die Korrektur durch fremde Kochkulturen. Auch dieses Prinzip kennen wir aus Deutschland. Doch von mediterranen Restaurants oder asiatischen Imbissen fehlt selbst in der Hauptstadt fast jede Spur.

Der Grund für das Fehlen der asiatischen und der mediterranen Küche dürfte sein, dass es keine Migration gibt. Beziehungsweise: Natürlich gibt es MigrantInnen in Finnland. Aber nur sehr wenige, und die kommen in den letzten Jahren vor allem aus Estland; was in Sachen Esskultur nicht weiterhilft (siehe oben). Die anderen, mehrheitlich russischen MigrantInnen sind - ebenso wie die immer weniger werdenden Asylsuchenden - sehr unbeliebt. Von ihnen übernimmt man nichts. "Erst nachdem ich in die USA ausgewandert war, habe ich bemerkt, dass ich Vorurteile habe", erklärt mir eine freundliche ältere Dame in der Sauna. "Mich ärgern die Ausländer in Finnland. Sie erwarten, dass der Staat was für sie tut. Ich habe in den USA nichts vom Staat erwartet; ich hab mir alles erarbeitet." Und sie fügt hinzu: "Wir Finnen sind neidisch, das ist ein großes Manko." Selten habe ich jemanden erlebt, der so präzise über seine eigenen Denkfehler Auskunft gibt, ohne die geringste Absicht zu haben, sie zu beheben. Die Dame empfiehlt mir, ins "Sea Horse" zu gehen. Dort sei das Essen noch so richtig original finnisch.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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2 Kommentare

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  • AS
    André Stadsholt

    Mmh, mir scheint, die Redakteurin/Autorin war da selbst nicht ganz vorurteilsfrei. Hört sich an wie der Bericht einer Kolonialbeamtin auf Inspektionsreise in der Pampas: Die trinken doch tatsächlich einfach Milch, aber nicht als Latte... Wie kann man nur?! Wenn man das gleiche Multikulti-Essen wie in Deutschland erwartet, braucht man/sie eigentlich nicht mehr zu reisen, es sei denn, nach Italien, Frkr., Spanien oder man/sie bleibt gleich zu Hause in Kreuzberg! Kleiner Tipp: Bauernmärkte in der Stadt besuchen - oftmals Bio, ohne dass Bio draufsteht. Und nach Tallinn/Estland fahren - da gibt es eine dufte Mischung aus nord-, kontinental- und osteuropäischer Küche und sogar echte Italiener und französische Restaurants! Ganz im Gegensatz zu geschilderten Vorurteilen. Gemüse und Obst wachsen in Finnland eher schlecht (man freut sich aber schon auf den Klimawandel), daher teuer und als Import nicht immer taufrisch. Tipp: Beeren wie Blaubeeren, Preiselbeeren, Erdbeeren probieren,schmecken auch gut und sind noch gesünder! Einfach mal was Neues wagen und nicht so schön Deutsch-Besserwisserisch daherkommen!!! Kiitos!

  • A
    anke

    Die alte deutsche Esskultur scheint nicht das einzige zu sein, das weit gereist ist. Obwohl – vielleicht ist die gute alte Selbst-"Kritik" erst von Finnland aus eingefallen im schönsten Land in dieser Zeit. In Finnland kenne ich mich nicht so aus, das gebe ich zu. In Deutschland allerdings muss man es schon einen Fortschritt nennen, wenn jemand seine Denk-"Fehler" auch nur erkennt. Das darüber Reden ist gewiss genau so selten, wie in Finnland. Von einer Korrektur will ich gar nicht erst anfangen. Schließlich: Nicht ein Volk auf der ganzen großen weiten Welt ist so sehr zur Selbstkritik fähig, wie gerade wir Deutschen. Na ja, mit Ausnahme der US-Amerikaner vielleicht. Mann will ja nicht als heillos neidisch gelten...