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Kolumne FernsehenInterpretation schlägt Information

Anders als bei uns geben sich politische Sendungen in den USA oft parteilich. Doch nur für Linke ist das ein Problem.

Warum müssen es immer die Linken sein, die sich vor Wahlen ein paar Tonnen Asche aufs Haupt streuen? Die genau diesen Zeitpunkt für richtig halten, um endlich einmal grundsätzlich über professionelle Standards im Journalismus nachzudenken - und die sich in der verbleibenden Zeit darüber wundern, dass die Rechten es ihnen nicht gleichtun? Diese Verwunderung wird regelmäßig später noch übertroffen von dem kindlichen Staunen über die erwartbare Tatsache, dass die Wahlen mal wieder von der anderen Seite gewonnen wurden. Zurzeit steht diese Tragödie, die in vielen Ländern gerne gegeben wird, in den USA auf dem Spielplan.

Bild: taz

Vor einigen Tagen wurde mitgeteilt: Keith Olbermann und Chris Matthews, die zwei prominentesten Journalisten des Kabelsenders MSNBC, dürfen die Übertragungen der Fernsehdebatten zwischen den Präsidentschaftskandidaten nicht moderieren. Auch am Wahlabend sollen sie auf die Nebenrolle von Leuten zurückgestuft werden, die zwischendurch mal kurz nach ihrer Meinung gefragt werden. Der Grund für das, was in US-Medien zu Recht als "Degradierung" bezeichnet wird: Ihre Berichterstattung von den Parteitagen der Republikaner und der Demokraten sei zu parteilich gewesen, befanden die Verantwortlichen.

Oh ja, die Berichterstattung war parteilich. Wahrhaftig. Weder Olbermann noch Matthews ließen den geringsten Zweifel daran, wem ihre Sympathien gelten - nämlich Obama - und wen sie nun gar nicht leiden können. Nämlich John McCain. Na und? Wenn ich eine sachliche, umfassende Berichterstattung in den USA wünsche, dann schalte ich CNN ein, einen in Deutschland häufig gescholtenen Nachrichtensender. Zugegeben: Die BBC wäre auch mir lieber, aber die ist hier halt nicht im Angebot. Und CNN ist deutlich besser als sein Ruf.

Natürlich gibt es nicht nur Leute wie Matthews und Olbermann, sondern auch die andere Seite. Bei Fox News, beispielsweise. Dessen bekanntester Protagonist Bill OReilly bekommt, um ein altes Bonmot zu wiederholen, immerzu Beifall von links. Weil rechts von ihm nur noch die Wand ist. Er war - verständlicherweise - hingerissen von der Nachricht, dass Olbermann und Matthews eine Ohrfeige erhalten hatten. Eine "Schande" nannte er deren Berichterstattung.

Eine "Schande"? Das zeugt von einiger Chuzpe. Denn auch OReilly tut nichts anderes als seine Kollegen auf der anderen Seite des Zauns. Er versucht, Wahlkampf für seinen Kandidaten zu machen. Konkret: für John McCain. Der Unterschied: Er muss dabei keine Degradierung befürchten. Sondern er darf senden … und senden … und senden. Ganz und gar parteilich. Wie gesagt: Die Rechte hat im Regelfall nicht dieselben Skrupel, wenn es um professionelle Standards geht wie ihre Konkurrenz. Deshalb muss sich Bill OReilly auch keine Sorgen machen.

Es bedarf einiger Zeit, bis man sich an diese Art der parteilichen Sendungen gewöhnt hat. Natürlich kennen auch wir im Regelfall die politischen Präferenzen der Moderatoren und Moderatorinnen in Gesprächssendungen. Aber wir schalten sie nicht ein, um Details der jeweiligen Positionen von Anne Will, Maybrit Illner oder Frank Plasberg zu erfahren. Wir möchten darüber informiert werden, ob ihre Gäste uns überzeugen können. Nicht mehr und nicht weniger.

Das gilt für viele politische Sendungen in den USA nicht, jedenfalls nicht für die Sendungen, die während der Hauptnachrichtenzeiten laufen. Wenn man in den Vereinigten Staaten die "Meinungssender" einschaltet, dann sollte man nicht erwarten, Neuigkeiten zu erfahren. Weder auf MSNBC noch auf Fox News. Es geht - sobald es über den Wetterbericht und Hurrikanwarnungen hinausgeht - um Argumentationshilfe, also um Interpretation, nicht um Information.

Was ja durchaus nützlich sein kein, solange die Argumente aller Seiten einen Platz finden und sich nicht die eine Seite mit Selbstgeißelung vergnügt. Getanzt dürften sie haben in der Wahlkampfzentrale von John McCain. Zu Recht.

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