Kolumne Fernsehen: Herr aller Zonen
Ein (leicht verfrühtes) Glückwunschschreiben an den neuen ZDF-Intendanten Dr. Thomas Bellut.
H erzlichen Glückwunsch, lieber Thomas Bellut! Sie sind ja dann wohl jetzt der neue ZDF-Intendant. Ihr Amt werden Sie zwar erst im April 2012 antreten, also in rund zehn Monaten, aber gewählt wird schon am heutigen Freitag - wahrscheinlich, damit es sich spätestens dann auch bis ins letzte Landesstudio herumgesprochen hat, dass Sie der neue Herr auf dem Mainzer Lerchenberg sind und nicht mehr dieser … wie war sein Name noch gleich?! Aber vielleicht täusche ich mich da auch - sehr wahrscheinlich sogar: Das hat bestimmt viel komplexere Gründe, die ich mal wieder nicht durchschaue. So ein ZDF ist ja nicht irgendeine Würstchenbude, in der der Chef einfach über Nacht wechseln kann.
Von Ihnen, lieber Thomas Bellut, stammt der schöne Ausspruch "Ich verzweifle jeden Tag an bestimmten Zonen in unserem Programm", der so schön ist, dass ihn in dieser Woche schon die geschätzte Kollegin Kriegsreporterin für die taz ausgebuddelt hat. Ich weiß genau, wovon Sie reden, habe ich doch am Mittwochabend aus Versehen eine solche Zone betreten und nicht weggeguckt wie so viele. - Danke, es geht mir gut oder, sagen wir, den Umständen entsprechend. Aber dazu später mehr.
Zunächst möchte ich Sie, lieber Thomas Bellut, fragen, ob Sie sich das auch richtig überlegt haben mit dem Intendantseinwollen. Gut, Sie kennen das Anstaltsleben seit den 80er Jahren, würden sich möglicherweise in der Außenwelt nicht mehr zurechtfinden - aber eine solche Aussage wird man Ihnen in Ihrer neuen Position nicht mehr so einfach durchgehen lassen, sind Sie doch bald Herr aller Zonen und nicht wie bisher als Programmdirektor nur für die (zumindest theoretisch gut) unterhaltenden Formate verantwortlich.
DAVID DENK ist Medienredakteur der taz.
Da kommen Sie ja dann vor lauter Verzweiflung kaum noch zum Arbeiten.
In Ihren Zuständigkeitsbereich fällt schon heute der TV-Steckbrief "Aktenzeichen XY … ungelöst", ein Format, das seit Billy the Kids großen Zeiten allen Renovierungstendenzen trotzt. Zwar benutzt man mittlerweile Google Earth, um zu zeigen, wo genau Mörder, Räuber, Vergewaltiger und sonstige Unholde wieder ihr Unwesen getrieben haben - mitten in unserem schönen Land nämlich und nicht im Wilden Westen -, doch atmet die von Rudi Cerne moderierte Ganovenhatz eine Piefigkeit, die auch die modernisierte Deko nicht aus dem Studio vertreiben konnte. Sie klebt an der Sendung wie Schmauchspuren an den Händen eines Mörders.
Nichts anderes als das können Sie, lieber Thomas Bellut, eigentlich mit Problemzonen Ihres Programms gemeint haben - warum ändern Sie dann nichts daran? Das Argument, dass der Zweck die Mittel heiligt, lasse ich nicht gelten, ist die Verbrechensaufklärung doch nur ein moralisch über jeden Zweifel erhabener Vorwand, zur Primetime Rentnern Schauermärchen zu erzählen. Und seit wann gehört Alarmismus zum öffentlich-rechtlichen Programmauftrag?
Mein Appell an Sie, lieber Thomas Bellut: Machen Sie Deutschland sicherer - schaffen Sie "Aktenzeichen XY … ungelöst" ab! Damit das Grauen nicht mehr nur eine falsche Bewegung auf der Fernbedienung entfernt ist.
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