Kolumne Fernsehen: Die Würde der Gaby Köster
Eigentlich mag ich keine Comedy. Aber wer sich so zurückmeldet, dem gebührt einfach Respekt.
A us einem schwarzen Loch heraus tritt die kölsche Komikerin Gaby Köster ("7 Tage, 7 Köpfe") gerade zurück ins Licht der Öffentlichkeit. Es dürfte sie ganz schön blenden. Vielleicht hat sie sich auch deswegen diesen Zottelvorhang aus Dreadlocks zugelegt, hinter dem ihr Gesicht beim Auftritt im RTL-Kuriositätenkabinett "stern TV" am Mittwoch kaum zu erkennen war. Sie selbst verglich ihre Frisur zur Freude des Studiopublikums mit einem Bobtail.
Spaß machen kann Köster also immer noch - auf Tour gehen wird sie aber wahrscheinlich nie wieder. Denn vor dreieinhalb Jahren erlitt sie einen Schlaganfall, ist seitdem halbseitig gelähmt. Jetzt darf man darüber schreiben, vor ein paar Wochen noch wurden Spekulationen über den Gesundheitszustand der 49-Jährigen prompt mit Post ihrer Anwälte quittiert. Sie pochten auf das im Pressekodex festgeschriebene "Recht auf informationelle Selbstbestimmung", was den Gesundheitszustand als Teil von Kösters "Geheimsphäre" einschließt. Und da sie weder an die Öffentlichkeit gehen konnte noch wollte, durfte niemand berichten.
Die Verletzungen dieses Rechts bedecken, wie der Beitrag vor Kösters "stern TV"-Auftritt zeigte, deren ganzen Gartentisch. HIV-infiziert sollte sie sein, weil sie mal eine Aidsschleife getragen hat - oder auch gleich ganz tot. Die bunten Blätter fantasierten das Blaue vom Himmel und schreckten vor keiner Geschmacklosigkeit zurück.
leitender taz-Medienredakteur.
Wer Raubtieren so plötzlich nichts mehr zu fressen gibt, muss damit rechnen, dass sie selbst auf die Jagd gehen. Bei "stern TV" erzählte Köster, wie ein Paparazzo sie im Rollstuhl vor der Klinik abschießen wollte: "Und dann hab ich zu ihm gesagt, er soll abhauen. Dann sagt er zu mir, dann lauf doch weg. Und wenn ich da schon so weit gewesen wäre wie jetzt, dann hätte ich dem in seine nicht vorhandenen Eier getreten." Diese Zeit ist zum Glück vorbei. "Jetzt muss ich mich nicht mehr verstecken", freute sich Köster bei "stern TV". Und doch blieb der Eindruck, dass der Fankontakt im Supermarkt genau wie das Interview im Studio sie sehr anstrengt.
Die Frage, warum sie sich das antut, hat sie in der aktuellen Stern-Ausgabe freimütig beantwortet: Köster sieht im Vermarkten ihres Buchs "Ein Schnupfen hätte auch gereicht - Meine zweite Chance" einen ersten, wackeligen Schritt zurück ins Berufsleben, leugnet aber auch nicht, dass sie Geld braucht. Durch die lange Krankheit habe sie ihre "Rente verblasen".
Nichts an Gaby Kösters erstem Auftritt hatte die Würdelosigkeit der Rückkehr von Monica Lierhaus, dieses Desorientierte, Hilflose, Hingeschobene. Kösters behandelnder Arzt saß im Publikum, schien also mit dem Wunsch seiner Patientin einverstanden zu sein. Meinetwegen darf sie gern wieder häufiger kommen - auch wenn ich Comedy eigentlich nicht mag. Aber Gaby Köster mag ich, jetzt erst recht. Wegen dieser Jetzt-erst-recht-Haltung.
"Nichts ist mehr, wie es war", lautet ihr neues Lebensmotto, "Never Gonna Be The Same" von Sean Paul ist ihre Hymne. Das ist trotzig - und rührend. Gaby Köster hat ihre zweite Chance aber so was von verdient.
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