Kolumne Fernsehen: Ritterschlag und Armutszeugnis
Bei zwei deutschen Fernsehinstitutionen sind Stellen frei - den einen Job will niemand und den anderen kriegt der Falsche.
J etzt haben also auch noch Barbara Schöneberger und Johannes B. Kerner abgesagt. Zwar ist nicht klar, ob ihnen die Nachfolge von Thomas Gottschalk bei "Wetten, dass ..?" überhaupt angetragen wurde, aber absagen kann man ja trotzdem mal. Dabei könnte besonders Kerner nach dem desaströsen Flop seiner Sat.1-Show ein neues Betätigungsfeld ganz gut gebrauchen. "Wetten, dass ..?" hingegen hätte ihm gerade noch gefehlt.
Das Format ist durch das Nein von Hape Kerkeling und die nicht enden wollende Kandidatendiskussion, die immer bizarrere Blüten treibt (Joko und Klaas? Bei aller Liebe!), schon beschädigt genug. Und das ZDF stellt sich tot, will erst im neuen Jahr den Gottschalk-Nachfolger präsentieren. Und warum? Weil sie keinen haben. Und auch nicht so recht wissen, wo sie einen hernehmen sollen.
Je länger die Hängepartie dauert, desto wahrscheinlicher wird es, dass Michelle Hunziker einfach alleine weitermacht. "Wir reichen hier eine Sendung herum und keiner will sie", sagt Gottschalk dazu. Dessen Kopfschütteln kann man sich nur anschließen. Es ist eine Glanzleistung der ZDF-Hierarchen, wie sie es geschafft haben, dass niemand freiwillig die erfolgreichste Unterhaltungsshow Europas übernehmen möchte.
ist Leiter des Medienressorts der taz.
Bei einer anderen deutschen Fernsehinstitution dagegen herrscht an Bewerbern kein Mangel. Nicht weniger als zehn Konzepte samt möglicher Darsteller (Jürgen Vogel! Wotan Wilke Möhring!) sollen in der engeren Wahl gewesen sein für die Nachfolge des quotenglücklosen Hamburger "Tatort"-Kommissars Cenk Batu (Mehmet Kurtulus). Umso schwerer fällt das Verständnis für die Wahl des NDR, die offenbar auf Til Schweiger gefallen ist.
Von ambitionierten Undercoverkrimis zu Publikumsmagnet Schweiger - eine 180-Grad-Drehung mit nur einem Ziel: endlich wieder ne schöne Quote. Denn bei allem Respekt vor Schweigers Näschen für den Massengeschmack: Das macht ihn noch lange nicht zu einem guten Schauspieler. Und das ist der "Tatort" trotz einiger Ausfälle (Thomalla!) eben auch: eine Leistungsschau deutscher (Fernseh-)Schauspieler, ein Best-of gewissermaßen.
Einen "Tatort"-Kommissar Til Schweiger braucht das deutsche Fernsehen hingegen genauso wenig wie die zähe "Wetten, dass ..?"-Nachfolgediskussion. Das braucht nur einer: Schweiger selbst, für den dieser Job der Ritterschlag wäre, den ihm die böse-elitären und überhaupt total gemeinen Feuilletons trotz seiner Kinohits bislang versagt haben. Schweiger, der so viel Haue einstecken musste, dass er sich für einen Underdog hält, der gegen alle Widerstände aus eigener Kraft … undsoweiterundsogähn.
Die Feuilletons würden ihn deswegen aber keine Spur mehr mögen - eher im Gegenteil, könnten sie ihn doch plötzlich noch nicht mal mehr ignorieren. Egal: Sollte der NDR Schweiger tatsächlich zum "Tatort"-Kommissar adeln, würde der vor Stolz durch keine Tür mehr passen. Und womöglich auch gleich noch "Wetten, dass ..?" mit übernehmen. Zutrauen würde er sich das locker. Aber so blöd ist man nicht mal beim ZDF. Hoffentlich.
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