Kolumne Eben: Die Schmach von Brüssel

Deutschland gegen Griechenland. Spannende Partie. Kann Varoufakis das Spiel für sein Team entscheiden. Oder trifft Schäuble in letzter Minute?

Griechische Fans jubeln auf den Stadionrängen

Griechische Fans bejubeln das erfolgreiche Spiel von Kapitän Tsipras und Mittelstürmer Varoufakis. Foto: ap

„Das Fußballspiel ist nicht die Fortsetzung des Lebens, sondern das Leben ist die Fortsetzung des Fußballspiels. Dann ist das, was im Spiel passiert, also nicht so wie im Leben auch, sondern: Das, was im Leben passiert, ist so wie am Samstag beim Spiel.“ Ror Wolf

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde in der Heimat, das große Spiel, das letzte Griechenlands, wird gleich beginnen. Bitte Platz nehmen und das Reden für die nächsten 45 Minuten einstellen. Deutschland wird den Anstoß durchführen.

Es ist ein herrlicher Tag. Der Himmel wölbt sich in seinem wunderbarsten Postkartenblau über Brüssel.

Bei prächtigem Sonnenschein und wenig Wind. Aber bitte, das Match hat begonnen. Die Schlacht der Griechen hier in Brüssel.

Schulz hat abgespielt zu Schäuble. Merkel lässt sich Zeit. Dann kommt aus dem Hintergrund Seehofer mit einem satten Schuss.

Es ist nichts passiert. Es bleibt keine Zeit zum Philosophieren.

In Griechenland sagte man ja vor dieser Partie, wenn wir Deutschland schlagen, dann ist alles vergessen, alles vergeben. Auch wenn die Griechen das Toreschießen bislang nicht erfunden haben.

Varoufakis zum ersten Mal am Leder. Der Varoufakis, der Bomber der Nation.

Griechenland verliert den Ball und somit ist die ganze Aufregung verfrüht. Ja, so schwer hatte man sich das dann doch nicht vorgestellt. Die Griechen wollen hier was für ihr Prestige tun.

Tsipras, der grimmige Kämpfer von der Akropolis. Er ist ein mutiger Mann, ein energischer Mann und vor allem, und das ist das wichtigste, er ist ein überaus objektiver Mann. Tsipras gibt zur Mitte, aber, mein Gott, war das schlecht zur Mitte gegeben. Es wird ein hartes Ringen hier um jeden Zentimeter dieses europäischen Bodens sein.

Mal hin, mal her. Hin und her.

Foul, die Notbremse wurde in dem Fall von Griechenland gezogen. Wieder ein Foul. Von hinten wurde er angesprungen. Der Varoufakis steht schon wieder.

1:0. Das war aber auch allerhöchste Zeit.

1:0. Kaltschnäuzig. Also das haut natürlich eine Mannschaft schon zusammen. Da kommt Varoufakis. Um Gottes Willen. Der Varoufakis vergibt eine 200-Prozentige. Also bitte meine Herren, das ist zum Verzweifeln.

Schussstärke, das ist nicht der Griechen Sache.

Jetzt greifen wir wieder an. Wie greifen wieder an. So ist es immer, wenn wir im Angriff sind, dann läuft uns die Zeit davon. Dieser Tskalotos also schon ein bisschen gemächlich. Aber jetzt hab ich keine Zeit, jetzt kommen wir wieder. Toooor. Toooor. Toooor. Toooor. 1:1.

Man muss es sagen, die Griechen haben sich immer bemüht. Somit heißt es also 1:1 und die deutsche Mannschaft wird ausgepfiffen. 1:1. Man hatte wohl gemeint, dass die Griechen so gut wie gar nichts vom Stürmen verstehen.

Die Deutschen sind nervös und im Augenblick drücken die Griechen unheimlich aufs Tempo. Hoffentlich passiert jetzt nichts. Denn es geht um Sein oder Nichtsein. Aber jetzt muss ich unterbrechen. Die Deutschen greifen an. Jetzt kommen sie wieder. Aber keine Gefahr. Schöne Möglichkeit. Varoufakis. Schuss. Toooor. Toooor. Toooor. Toooor. Toooor. Also ich kann nicht mehr. Der Varoufakis hat den Ball Volley genommen. 2:1. Da fehlen mir die Worte, da müsst ich ein Dichter sein.

Die deutsche Abwehr momentan von allen guten Geistern verlassen.

2:2. Die Deutschen haben schon wieder zugeschlagen. Und damit ist unsere Freude wieder ein bisschen gedämpft worden.

Nun könnte die Partie etwas spannender werden. Nun könnte doch noch Rasse und Klasse hereinkommen.

Schäuble bekommt die gelbe Karte, weil er auf einen Griechen losgegangen ist.

Er läuft ihm einfach in die Quere. Unbeherrscht. Das breit angelegte Mittelfeldspiel der Griechen macht halt zu schaffen.

Haha. Sehr gut, meine Herren. Ruhig. Ruhig Blut. Also da wird einem das Gruseln gelehrt. Und jetzt Schäuble. Er hat mit der Faust Zizek niedergeschlagen. Und jetzt wird aus diesem schönen Spiel hier noch eine Schlacht.

So kann man natürlich auch nicht in der Abwehr verfahren. Wenn wir hier verlieren, dann ist der Traum von Europa ausgeträumt. Das muss man sagen, das ist alles andere als eine großartige Partie zwischen Deutschland und Griechenland.

Da kommt Varoufakis. Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I wer‘ narrisch.

Davon hat sicher im Lager der bundesdeuschen Elitekicker niemand zu träumen gewagt.

Jetzt Burschen fallt‘s nett um jetzt. Eine Möglichkeit der Deutschen. Und!? Daneeeeben. Und jetzt ist Aus. Ende. Schluss. Vorbei. Deutschland geschlagen.

Die deutsche Mannschaft hat sich wahrlich blamiert. Naja, jetzt kann sie nach Hause fahren. Am besten wäre sie gleich da geblieben.

Frei nach Ror Wolf. Alle Kommentare: Edi Finger und Armin Hauffe.

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Seit 2012 Redakteurin | taz am Wochenende. Seit 2008 bei der taz als Meinungs, - Kultur-, Schwerpunkt- und Online-Redakteurin, Veranstaltungskuratorin, Kolumnistin, WM-Korrespondentin, Messenreporterin, Rezensentin und Autorin. Ansonsten ist ihr Typ vor allem als Moderatorin von Literatur-, Gesellschafts- und Politikpodien gefragt. Manche meinen, sie kann einfach moderieren. Sie meint: "Meinungen hab ich selbst genug." Sie hat Religions- und Kulturwissenschaften sowie Südosteuropäische Geschichte zu Ende studiert, ist Herausgeberin der „Jungle World“, war Redakteurin der „Sport-BZ“, Mitgründerin der Hate Poetry und Mitinitiatorin von #FreeDeniz. Sie hat diverse Petitionen unterschrieben, aber noch nie eine Lebensversicherung.

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