Kolumne Die eine Frage: Wie kleine Kinder
Die Autopopulisten Scheuer, Kramp-Karrenbauer und Lindner ignorieren die ökologische Modernisierung. Die müssten sie eigentlich vorantreiben.
Es gibt einen großen Pathos in allen demokratischen Parteien, dass der Klimawandel die große Frage des 21. Jahrhunderts sei und man da unbedingt was machen müsse.
Nur nicht jetzt. Und nicht so.
Die ehemaligen Volksparteien und auch Teile der Gesellschaft sind mental nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Sie leben gefühlt in der guten alten Industriegesellschaft der Frühglobalisierung. Dieser ganze Muff von siebzig Jahren soll möglichst nicht aufgeschüttelt werden.
Die maßlose Übersteigerung der Flüchtlingspolitik ist ja oft genug tiefenpsychologisch analysiert worden als Trigger für die hartnäckig verteidigte Illusion, dass man eine ewige Gegenwart haben könne mit sicheren Grenzen, in der wir und unsere fossil produzierten Waren schön rauskönnen, aber nichts reinkommt, was stört oder das Verteilen schwieriger macht.
Diese Übersteigerung hat nun auch die ökologische Modernisierung erreicht. An Verkehrsminister Scheuer oder sogar der CDU-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer kann man sehen, wie das populistische Sprechen um sich greift im Namen des Volkes oder wie die sekundierende FAZ behauptet, der „hart arbeitenden Autofahrer“. Man könnte sich totlachen, wenn es nicht um viele direkte und indirekte Verkehrstote ginge.
Scheuer ignoriert nicht nur die ökologische Modernisierung, die er vorantreiben müsste. Er delegitimiert demokratische Strukturen, indem er die eigene Expertenkommission als Gegenpol zum „Menschenverstand“ bezeichnet. In einer Situation in der illiberale Autoritäre gegen die Komplexität von politischen Entscheidungsprozessen „einfache Lösungen“ anbieten und Demokratie als Verschwörung von Eliten delegitimieren.
Die Überhitzung
Der Haupttrick, den speziell Christian Lindner gern anwendet, ist die absichtliche Verwechslung von wissenschaftlich fundierter, demokratisch diskutierter und europäisch beschlossener Politik (etwa Abgasgrenzwerten) mit einer „ideologischen“ Verschwörung gegen das Volk und seinen Wohlstand. Ordopolitik nennt er – ältere FDP-Mitglieder wird das interessieren – „Kulturkampf“. Da hat man xenophobe Emotionen auch noch schön angetriggert.
Jetzt kann man nicht behaupten, dass die Grünen diesen Trick der Überhitzung nicht kennen, sie haben Jahrzehnte davon gelebt. Aber nach vielen Jahren der Vorarbeit von Protagonisten wie Özdemir und Al-Wazir werden die Grünen von Baerbock und Habeck von großen Teilen als vernünftige Leute geschätzt. Klar, dass die politischen Gegner ihre alten „Verbotsrhetoriker und Verzichtprediger“ (FAS) zurückhaben wollen, die mit 8,4 Prozent irrelevant herumkrakeelten wie heute die FDP.
Die Frage ist, ob, wie und mit welcher Sprache man die ressortübergreifende sozialökologische Politik im gesellschaftlichen Gespräch etabliert. Die Scheuers und Lindners müssen ja auch deshalb herumschreien wie kleine Kinder, weil die erwachsenen Grünen kaum oder nur ganz behutsam darüber sprechen.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Es geht einfach nicht. Oder zweitens: Die populistische Lautstärke und Autofahrervolksbeschwörung von Scheuer und Lindner kündet von deren Ahnung, dass sie in die Minderheit geraten und ein Mainstream die ökologische Modernisierung als essenziellen Teil des neuen Kanons einer modernen Orientierungspartei ansieht – wenn man es richtig erzählt.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Das tut mir speziell leid für meine linkssozialdemokratischen Freunde, aber ich kann auch ihnen die Realität nicht ersparen: In Baden-Württemberg ist das bereits so.
Leser*innenkommentare
7964 (Profil gelöscht)
Gast
Die Frage ist nicht, ob Autos gut oder schlecht sind. Die Frage ist, was in Deutschland produziert wird, wenn nicht Autos. Wir können ja nur Autos Bomben und Chemie.
Lowandorder
Ok Ok - Na - Si'cher dat. Much all weesen.
Aber bedankt. “Wie kleine Kinder" ^!^
Für die so wunderbar ahl altfränkische Überschrift. Bis zur Kenntlichkeit. Gell.
Ja. So seh ich den Herrn Au Tor. Den Superhyper vande Superperformer zu
Peterchen sei Mondfahrt & Fjutscher2.
unterm---wo doch sei Perle - so treffend
“Der alte Blödmann" a'zumerke wußt!
& Der! - unfaßbar - aber doch doch -
Ha no. Dazu passend - seinen sich verwahrenden Sohn - Adorno - tituliert.
&
Scheints immer noch an sei arg zähen -
California cold turkey - rumlaboriert.
Anyway. Weiter - Gute Besserung.
No! Prosit - Es möge nützen. Gellewelle.
Lowandorder
@Lowandorder Däh! Kein eine eine Frage - nö - Zisch -
Mailtütenfrisch:
“Glück Auf!
"ein Mainstream die ökologische Modernisierung als essenziellen
Teil des neuen Kanons einer modernen Orientierungspartei ansieht –
wenn man es richtig erzählt."
"Wenn man es richtig erzählt..
und wenn WählerIn "richtig" wählt
regiert plötzlich die Orientierungspartei.
Ein Herrenknecht bohrt und hat Freude dabei.
Bei Kuhn und Kretschmann ist das schon so.
Die haben in Stuttgart ein riesiges Loch -
In München überlegen sie noch.“
91672 (Profil gelöscht)
Gast
Sehr guter Kommentar.
Kommt aber bei Leuten, wie Scheuer, Lindner und AKK nicht an ('Wir sind fest der Meinung, daß die Erde eine Scheibe ist').
Und, es passt irgendwie dazu: In Bayern gibt es gerade ein Volksbegehren zum Thema Bienensterben.
Aiwanger, der eine, meint, dies sei eine 'eiskalte Enteignung' der Bauern, der andere, Söder, bietet an, einen runden Tisch zu dem Thema zu machen, da er wie der Teufel das Weihwasser einen positiven Ausgang des Volksbegehrens fürchtet.
Alles in Allem: Scheuer, Lindner, AKK, Aiwanger, Söder sind sog. Alphatiere, Tiere, die in einem sehr frühen vorchristlichen Jahrhundert steckengeblieben sind, die aussehen wie Stegosaurier und der Nyasasaurus Dobrindtiensis und sich gegenseitig die Schuppen putzen.
marxscheEffizienz
"mit sicheren Grenzen, in der wir und unsere fossil produzierten Waren schön rauskönnen, aber nichts reinkommt, was stört oder das Verteilen schwieriger macht."
Für sowas gibt es Abwehrzellen bzw. Änderung von Anreizen, sofern man wenig drin haben möchte.
Konkret geht es
"Klimawandel die große Frage des 21. Jahrhunderts sei"
Nein, sonst würde man Urlaubs-Flüge als Erstes abschaffen, weil die am klimaschädlichsten sind.
Anschließend Schiffsdiesel bzw. Kreuzfahrten.
Sowas kostet aber Mehrheiten.
[Warum die Linke und Grüne nicht bei Kreuzfahrten als Luxusgut älterer Menschen anfängt erschließt sich mir nicht, da diese nicht Wählerklientel sind]
"leben gefühlt in der guten alten Industriegesellschaft der Frühglobalisierung"
Sind die 68er also gescheitert oder was soll das heißen? Möchte man ganz konkret die Industrie in Deutschland abschaffen und sich davor verschließen, dass die Waren dann nur unter weniger Umweltschutz woanders produziert werden?
"nicht um viele direkte und indirekte Verkehrstote ginge."
Populismus kann man runterbrechen auf Unsachlichkeit oder Faktenfreiheit, welche bei nicht belegten Aussagen (Statistik bzw. Wissenschaft) grundsätzlich gegeben ist.
Elitenverschwörung ist Übersteigerung bei (gefühltem) Vorgehen gegen Interessen eine Bevölkerungsgruppe, welche schwammig abgrenzbar sind.
"ressortübergreifende sozialökologische Politik im gesellschaftlichen Gespräch etabliert"
Nein, die Frage stellt sich gar nicht, wenn man mit Fakten über die Realität mit Handlungsmöglichkeiten spricht.
Wenn man jedoch strikt nach Kant nur das Jetzt beurteilt und einem die Folgen scheißegal sind, muss man den Sprachkurs kontrollieren, um mit den Folgen seines Tuns nicht mehr sich zu befassen.
91672 (Profil gelöscht)
Gast
@marxscheEffizienz Ich schließe mich Virilio an und würde auch gern ein paar Vorschläge von Ihnen lesen (Konstruktives Meckern mit oder ohne Kant!).
marxscheEffizienz
@91672 (Profil gelöscht) Zur Migrationspolitik kenne ich leider keine verlässlichen
1.Sprachstatistiken
2.Bildungsstatistiken
3.Jobstatistiken (nur anerkannte Flüchtlingsformen).
An fehlenden Sprachstandards in der EU liegt das nicht, sondern politischem Unwillem die Daten zu erheben.
Auch bei Jobstatistiken ist das sehr einfach zu machen und zum Teil wird das auch gemacht:
statistik.arbeitsa...luchtmigration.pdf
Zu Bildungsstatistiken kann ich es ebenso nicht nachvollziehen, obgleich das etwas schwieriger ist.
Besonders stört es mich, dass nicht ganz konkret die AfD bei Kriminalitätszahlen (anteilig nach Alter/Einkommen) widerlegt wird und wie politisch auf Einzelfälle reagiert wird.
Warnungen vor Pauschalisierungen helfen nicht, wenn man keine Gegensicht anbietet und beweist in Zahlen.
Die Statistiken liegen alle bei den Ämtern, aber die Politiker sind zu faul die zu benutzen.
Dazu gehört auch die entsprechende Darstellung der Lage mit Tätern und möglichen Konsequenzen. Kategorisches Ausschließen sieht eher wie ideologische Borniertheit aus, die der politische Feind nutzen kann mit Unterstellungen.
81331 (Profil gelöscht)
Gast
@marxscheEffizienz ...und ihre Vorschläge?!
marxscheEffizienz
@81331 (Profil gelöscht) 1. Besteuerung von Luxusgütern mit CO2 wäre der Anfang, alternativ zweckgebundene Einzahlung in einen Forschungsfond (+Punkt 6)
2. Klarmachen der wissenschaftlichen Grundlage mittels Simplifizierung der Modelle (mir sind nur CO2-Quelle bekannt), die Kipppunkte [in Größe und Auswirkung] finde ich sehr fraglich und unerklärt in den Modellen.
earthscience.stack...ict-climate-change
scied.ucar.edu/simple-climate-model
3.power2gas ist derzeit sehr teuer, 50ct/kWh, also gehört hier die Forschung priorisiert
4.Es findet häufig kein sachlicher Diskurs mehr statt, weil die Probleme nicht verstehbar erklärt und die Lösungen nicht dargelegt werden.
[also unwissenschaftliches Vorgehen]
5.Der ideologische Feind gehört argumentativ widerlegt
www.achgut.com/art...elte_im_wohnzimmer
Aktuell werden Kipppunkte bestritten, also muss das wasserdicht hinreichend simplifizierend in Zahlen entgegnet werden.
6.Die soziale Gestaltung muss berücksichtigt werden und kommunikativ gewürdigt werden. Man muss verstehen, dass simple Einschränkungen für Autofahrer für sozial Schwache und Arbeitende schwierig sind. Ansonsten mindert das Akzeptanz von Vorhaben.
7.Zentraler Abgleich von Informationen für Skalierung von Vorhaben ist in Zeiten von Internet wichtig.
8.Guerillia-Informationshinweise von politischen Feinden (Heucheln von Zustimmung in der Sache und Fragen/Faktendarlegung auf Unstimmigkeiten)
Vor allem in Punkten 6+7 klappt das gar nicht gut. Punkt 8 muss man abstimmen, wird aber immer wichtiger in Zeiten von Echokammern.
Falls Wissenschaftler entsprechende Seiten gestalten, wäre das umso besser.
Es muss nur jeweils darauf geachtet werden, dass der Nutzer selbstständig zu den richtigen Folgerungen kommt.