Kolumne Die Kriegsreporterin: Die Dunkelkammer der Schande
Was hat ein Kochportal auf einem Medien-“Innovation Day“ zu suchen? Und was der „Spiegel“ mit griechischem Essen zu tun hat.
H allo taz-Medienredaktion!
Was Günther Jauch Griechenland, ist mir der Spiegel. Ein leidiges Thema, das einem zu den Ohren raushängt und das man doch immer wieder machen muss. Günther Jauch, der Mann, der Studentinnen bei „Wer wird Millionär?“ an 50-Euro-Fragen scheitern lässt und dadurch noch viel schlimmer ist, als alle gedacht haben – er, Potsdam, Riesenvilla, muss schon, weil der Keller die Einkünfte nicht mehr fasst, Weinberge kaufen und die Moneten verflüssigen –, lässt eine junge Frau, die am Anfang des Lebens steht und noch so viel vor sich haben könnte, geradewegs in die Dunkelkammer der Schande rauschen, deren einziger Ausgang geradewegs ins RTL-II-Tattoostudioprekariat führt. Also Günther Jauch hat es so viel besser als ich.
Kaum macht er „Griechenland“, hat er eine super Einschaltquote. Kaum mache ich Spiegel, langweilen meine LeserInnen sich zu Tode. Ich kann das verstehen. Denkt man bei den Griechen, würden die doch endlich mal besseres Essen machen, würde schon irgendwo eine funktionierende Wirtschaft herkommen, ist das Essen dagegen beim Spiegel ja wirklich klasse. Und dennoch fragt man sich, Spiegel, wohin gehst du?
Letzten Sonnabend zum Beispiel. Da veranstaltete der Laden zusammen mit Vocer irgendwas mit Studieren und Medien, den Vocer Innovation Day. Eine sehr gelungene Veranstaltung. Nicht zuletzt, weil anders als bei den üblichen Medientreffen nicht Nikolaus Brender auf der Bühne saß, sondern Leute, die dem, was morgen vom Journalismus übrig sein wird, Impulse gegeben haben werden.
Nein, man fragt sich, wohin der Spiegel geht, weil dort vier Projekte in den Wettbewerb um irgendeine immaterielle Förderung gingen, von denen zwei mit Journalismus zu tun hatten, eines mit Programmierung und eines ein Kochportal war. Und was macht die Geschäftsführerin von Spiegel Online, Katharina Borchert, nachdem die Jury sich auf eines der journalistischen Start-ups geeinigt hat? Sie stiftet, weil sie so begeistert ist, spontan noch einen Gewinn – für das Portal, auf dem man Köche mieten kann!
Hallo?!? Nicht nur, dass man sich fragt, was ein Kochportal auf einem Medien-“Innovation Day“ überhaupt zu suchen hat, Spiegel Online hält das auch noch für förderungswürdig!
Noch alle Bindemittel in der Soße?
Ich meine, da kann man doch schon mal fragen, ob noch alle Bindemittel in der Soße sind?! Warum muss der Spiegel so was machen? Will man nicht ein eigenes Profil haben? Kochportale, Tupperdosen, Babymessen – das ist doch Gruner + Jahr! Also mein anderes Griechenland. Quasi Wolfgang Bosbach.
Ich verstehe das nicht. Und das, wo der Spiegel doch auf so gutem Weg ist… Angelehnt an das Schweizer Onlineportal Watson soll es nämlich auch aus Hamburg ein Angebot geben, jüngere User einzufangen. Diese junge, irre Jan-Böhmermann-Gif-Zielgruppe.
Wäre man mit diesem Vorhaben bei Gruner, die so crazy modern sind, ihre neue, an Barbara Schöneberger orientierte Frauenzeitschrift Barbara zu nennen, hieße das Ding wohl Jan. Oder Jan Spon.
Lustig war vergangene Woche „3 nach 9“, die Talkshow, die Giovanni di Lorenzo (GdL) moderiert. Hier wollte man das CDU-Walrossweibchen Julia Klöckner durch eine Weinprobe aufs Glatteis führen. Was schiefging und die Redaktion ziemlich dumm dastehen ließ. Lustig war, dass es Klöckner gelang, GdL so zu verwirren, dass es augenblicklich so aussah, als habe er einen im Tee. Gerade so, wie Kaspar Hauser vom Essen von Weintrauben betrunken wurde. Da bin ich froh, dass GdL Helmut Schmidt nur zum Rauchen trifft und nicht auf ein Gläschen Scheurebe.
Und damit zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr