Kolumne Die Kriegsreporterin: Mandy-Mandy, Miosga und Maltherapie
Was zahlt Sat.1 dem „Britt“-Klatschvieh? Wann scheitern Sportlerinnen rechtzeitig? Und wieviel Zeit hat Guido Knopp in seinem Berufsleben verhitlert?
H allo taz-Medienredaktion!
Was musste ich dieser Tage lesen?! „Deutsche Hockey-Frauen vorzeitig gescheitert.“ Erst habe ich einen gehörigen Schreck bekommen, dann war ich nur froh, dass die Damen nicht etwa „rechtzeitig“ gescheitert sind.
Ich will mir gar nicht ausmalen, wie das ausgesehen hätte! Nein, ein vorzeitiges Scheitern, eines vor der Zeit, zu der es Zeit ist, zu scheitern, scheint mir für die Sportlerinnen genau das Richtige zu sein. Ansonsten ist es ja verblüffend, welches Bohei veranstaltet wird, wenn Usain Bolt läuft.
Ähnlich wie bei der Hochzeit von William und Kate scheinen die Journalisten ihre Ratio kurzerhand ausgelagert zu haben. Es ist, als wäre Gott persönlich herabgestiegen, um in Form von hundert Metern eine Stippvisite auf der Erde zu halten. Anders als William und Kate wird Usain allerdings im Anschluss an die Show vorgeworfen, er würde eine Show abziehen.
berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
Ja, was denn nun, Leute!? Man guckt doch nicht Olympia, um zu sehen, wie einer einen Speer wirft. Man guckt Olympia wegen der Momente vor und nach dem Wurf. Wenn man denn guckt.
Ich gucke lieber „Tagesthemen“ und bin ganz hin und weg. Die machen auf einmal richtig gute Sendungen. Die vom 1. August etwa. Da wurde es geschafft, zu informieren und dabei bestens zu unterhalten. Caren Miosga zündete mit ihrer Moderation ein kleines Böllerwerk an kluger, witziger, doppelbödiger Sprachbömbchen und die Beiträge, über Kurt Beck etwa, waren mitunter von so feinen, bösen Tönen und Zwischentönen, dass ich annehmen muss: Die haben einen Kurs gemacht! Bei der BBC. Für intelligent-bissigen Informationstransport.
Natürlich gab es danach wieder Rückfälle. Aber, man sieht: Es geht. Und ich möchte den Machern zurufen: Vor jeder Sendung bitte die vom 1. August schauen und dann erst loslegen!
Ganz überrascht hingegen stimmt mich die Nachricht über die neue Sendung von Thomas Gottschalk, „Das Supertalent“. 30 Euro gibt RTL angeblich jedem Zuschauer, der sich in das Studio setzt und zuguckt. Das legt die Frage nahe: Wenn RTL 30 Tacken raustut und Gottschalk und Bohlen bieten, wie viel muss dann wohl Sat.1 für die Publikumsstatisten bei Sendungen wie „Britt“ zahlen? Mit Mandy und Mandy-Mandy als Studiogast. Und Pascal, der nach der Schicht aufm Trockenbau im Wohnzimmer seiner Mutter mit der kleinen Schwester von Mandy-Mandy Tierfilme dreht. 300? 3000?
Ums Geld wird es Guido Knopp hingegen bei seiner Tätigkeit fürs ZDF nicht gegangen sein, eher darum etwas aufzuarbeiten. Etwas Dunkles. Etwas Deutsches. Etwas Knoppiges. Das ist etwas, das wir viel zu wenig beachten, in diesem Land, in dem ständig ein Keil in das öffentlich-rechtliche System düst: Wie schön es ist, dass eine Sendeanstalt Menschen die Möglichkeit gibt, die Psychoanalyse zu sparen. Einfach, indem sie sie machen lässt. Jahrelang.
Da muss nicht immer wieder neu beantragt werden, da kann sich einfach einer sein Leben lang am Dritten Reich abarbeiten und seine Faszination an der Vernichtung und ihren Strategen ausleben. Wenn Knopp allerdings am Ende seiner 29-jährigen Zeit als Führer der Redaktion „Zeitgeschichte“ sagt: „Rein quantitativ hat Hitler vielleicht fünf Prozent meiner Arbeit ausgemacht“, und er die 95 Prozent ausblendet, die er mit Göbbels, Göring, Rommel und Eichmann verbracht hat, sollte am Ansatz dieser öffentlich-rechtlichen Psychokur gezweifelt werden. Das nächste Mal doch vielleicht eine Maltherapie.
Und mit etwas Neid – schließlich gab es neben der Selbstverwirklichung auch noch regelmäßiges Kantinenessen, zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW