Kolumne Die Kriegsreporterin: Die Hoffnung auf Höhe Arsch
Jeder guckt, ob auch er ein Brüderle hat. Alle tasten und suchen, und wer einen findet, versucht ihn unbemerkt verschwinden zu lassen.
H allo, taz-Medienredaktion!
Meine Güte, was für eine Woche! Alle voll krass im Brüderle-Fieber! Jeder guckt, ob auch er ein Brüderle hat, irgendwo, übrig geblieben, aus alten Zeiten. Hinterm Schreibtisch, unterm Stuhl, in der Hose. Alle tasten und suchen, und wer einen findet, versucht ihn unbemerkt verschwinden zu lassen.
Was zu Guttenberg und Wulff im letzten Jahr, ist das Brüderle im neuen: eine peinliche Männerposse von einem, der ein merkwürdiges Verständnis der Dinge hat. Aber es bleiben die getreuen Steigbügelhalter wie Herr Kubicki, für den das Männlein mit dem Schoppen im Schritt „der Hoffnungsträger der FDP“ ist. Ja, wo die Hoffnung auf Höhe Arsch getragen wird, da stirbt das Hirn als Erstes.
Und weil man auch beim Focus nicht genau weiß, wie lange alles noch gut geht, macht man jetzt mal in Gesundheitstests und verkauft in der Apotheke Selbsttests zu den Problemzonen Darm, Blase und Blut. Für 19 Euro kann man feststellen, ob der Ehemann noch lange zu leben hat oder mal wieder zu viel gekifft. Hübsch wäre natürlich auch der Selbsttest „Hirnschwund“. Ich lass jetzt mal offen, für wen.
Pro-Frau-Stimmung
Wenigstens der Stern dürfte von Brüderle mit einem Hoch profitieren. Eines der Auflage. Selbst ich habe die Illustrierte gekauft, wobei ich im Kiosk lange nicht verstanden habe, dass der Titel „Die Jagd auf bin Laden“ das aktuelle Heft ist und weiter nach der Ausgabe von dieser Woche gesucht. Das Blatt, das bald unter der alleinigen Führung von Dominik Wichmann erscheinen wird und dann karamba-karacho generalüberholt sein soll, sucht übrigens händeringend die stellvertretende Kraft für Wichmann. Wegen der aktuellen Pro-Frau-Stimmung muss es jemand sein, der auch ein Dirndl füllen könnte, also kein Mann.
Aus irgendeinem Grund ist das schwierig. Ich nehme an, weil Wichmann selbst für Orchideenthemen wie „Gesellschaft“ steht, sollte die zweite Kraft die „harten“ Themen Politik und/oder Wirtschaft verkörpern. Wodurch es natürlich kein Wunder ist, wenn sich da keine Frau finden lässt, wurden die doch aller Orten in Richtung Schwimmbaderöffnung und Sozialdrama abgeschoben. Außer Katja Gloger, einer langjährigen, ausgewiesenen Politikredakteurin des Blattes, die angeblich nicht infrage kommt, weil ihr Mann Chef vom Spiegel ist.
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Was die Frage aufwirft, ob sich der Spiegel von der Benennung eines geeigneten Chefredakteurs abbringen ließe, nur weil dessen Frau Chefin eines konkurrierenden Blattes ist. Das einzige Unding an der Überlegung sind die zwei Hammergehälter, die da zusammenkämen und von denen eines aus moralischen Gründen zu spenden wäre.
Aber sonst … finde ich Iris Berben viel spannender, die Mittsechzigerin mit dem Gesicht einer 42-Jährigen, das sie allein dem Schönheitsmittel „Wasser“ zu verdanken habe. Dummerweise ist nun ein Foto in der Bunten, auf dem der Arm der Naturschönen aussieht wie der einer Mittsechzigerin, Stichwort: Schrumpel-Pumpel-Krumpelhaut. Was unweigerlich zu der Frage führt: Warum hat sie da kein Wasser rangetan?
So, ich schnüre jetzt mein Bündel und reise nach Berlin, wo der Pro-Quote-Verein für seinen Kampf dafür, dass Frauen auch mal auf einen Chefsessel dürfen, mit dem „Journalist des Jahres“-Sonderpreis des Medium Magazins ausgezeichnet wird. Glückwunsch! Fast noch toller als der Preis für die Frust-Elsen aber ist, dass auch ich dort ausgezeichnet werde. Wieder bin ich auf dem zweiten Platz in der Unterhaltung gelandet! Und das ist großartig! Vor mir sind Roche und Böhmermann, es sei ihnen gegönnt. Jetzt schon besoffen vor Freude zurück nach Berlin!
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