Kolumne Die Kriegsreporterin: Fragen aus dem Sommerloch
Wer kümmert sich um Uli Wickerts Kinder? Wann rettet Wolfgang Büchner den „Spiegel“? Und warum sind ARD und ZDF mal wieder zum Scheißen zu blöd?
H allo taz-Medienredaktion!
So ein Sommer mit seinem Loch ist ja immer eine gute Gelegenheit, sich umzugucken und Fragen zu stellen, für die man sonst keine Zeit hat. Zum Beispiel die: Was macht eigentlich Peter-Matthias Gaede? Sie erinnern sich, Peter-Matthias Gaede ist der Mann, der Geo zum Leuchten brachte. Gibt es ihn noch? Schreitet er noch über die Gänge von Gruner + Jahr? Und verteidigt der 62-Jährige noch journalistische Werte, die anderswo im Haus gegen den Gedanken, Journalismus sei am Ende auch nichts anderes als ein Gut wie Marmelade, eingetauscht wurden?
Ein Anruf genügt – und siehe da, Gaede wirkt weiterhin. Mit der Frage im Gepäck, wie lange noch, schleicht aktuell die PR-Dame über die Gänge und sucht nach einer Antwort für mich. Ich hoffe, dass sie mir dann auch erzählen wird, was es Neues bei Geo gibt. Außer Rahmenverträge, gegen die Autoren protestieren, natürlich.
Nächste Frage: Was sagt es uns, wenn Barbara Schöneberger die RTL-Sendung mit Jauch und Gottschalk moderiert? Dass a) sie in derselben Liga spielt und b) man erst dann Frauen einsetzt, wenn die Männer schon beschäftigt sind. Da das Ganze bei RTL stattfindet und alle drei auch in den Öffentlich-Rechtlichen verwurzelt sind, sagt es c), dass ARD und ZDF mal wieder zum Scheißen zu blöd sind.
Frage drei: Wann kommt Büchner und rettet den Spiegel davor, in Betroffenheitsjournalismus à la „Die Beichte eines Gefangenen, der im Knast zum Junkie wurde“ (aktuelle Ausgabe) zu ertrinken? Es ist unklar, „ob er die Bundestagswahl noch bei der dpa oder schon beim Spiegel begleiten wird“, heißt es im Verlag.
Und ob er das Blatt, dessen Auflage im Allgemeinen freundlich als „sinkend“ bezeichnet werden kann, zu retten in der Lage ist, scheint in Anbetracht vieler bissiger Redakteure fraglich. Nach dem Prinzip des erweiterten Selbstmords, der häufig im Zusammenhang mit Machtverlust steht, werden viele vermutlich die Versuche einer Neuausrichtung torpedieren und Büchner, dem Elternzeit nehmenden Weichei, zu zeigen versuchen, wo der Hammer hängt.
Bleiben wir bei den Herren: Ständig bekomme ich Pressemitteilungen, in denen mir die Büchersprechstunde von Ulrich Wickert empfohlen wird. Zeitgleich hat er sich beim Verlag Hoffmann und Campe im Turmzimmer eingemietet, um an seinem neuen Buch zu arbeiten. Wer, so frage ich mich, kümmert sich um die Kinder? Der hat immerhin 16 Monate alte Zwillinge. Die bald auf die schiefe Bahn kommen werden. Dabei müsste der 71-Jährige gar nicht arbeiten. Seine Frau ist schließlich Vorstandsfrau bei Gruner + Jahr.
Apropos. Auch ich muss sehen, wo die Penunsen herkommen, und seit ein paar Jahren heißt es ja, dass Journalisten wie ich „Unternehmerjournalisten“ sein sollen. Wir sollen so denken wie die Marmeladenverkäufer und immer noch ein wenig mehr aus den Früchten quetschen. Also Reden halten, Seminare geben, Diskussionen leiten, und unsere Zeitungsinterviews noch mit der Kamera aufzeichnen und ins Netz stellen. Egal, dass jede Disziplin für sich genommen schon ein Handwerk ist – Hauptsache: machen.
So rückt der Marmeladengedanke näher und ich überlege, ob ich unter dem Label „Kriegsreporterin“ Produkte anbieten sollte. „Die Kriegsreporterin Nussmischung“ zum Beispiel. Oder Seife „Feine Einsatzseife – Flieder“. Oder Taschentücher. Pflaster. Campinggeschirr. Pulverkaffee. Lauter Zeug, das Journalisten, die vom Sonnendeck unter die Brücke umziehen mussten, brauchen. Kann ja nicht jeder im Turmzimmer an der Alster arbeiten. Angefixt ob der Fülle an Möglichkeiten gebe ich zurück nach Berlin!
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