Kolumne Die Kriegsreporterin: Salbei im Garten
Dieses „Gemühe“ für Opa Gottschalk eine neue Sendung zu finden, ist peinlich. Auch der „Stern“ hat was Neues – was hätte geschehen können.
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H allo taz-Medienredaktion!
Ich habe vor vielen Jahren den Satz gelesen: „Wie kann jemand sterben, der Salbei im Garten hat?“ Seither beschäftigt er mich. Immer wieder denke ich über Salbei, Gärten und das Sterben nach. Heute aber fällt er mir ein, wenn ich denke, wie kann ein Mensch sich verlassen fühlen, der solche LeserInnen und ZusprecherInnen hat wie ich?
„Gar nicht!“, ist die Antwort. Ich fühle mich gerade zu getragen im Angesicht der Unterstützermails bezüglich Matthias Matusseks einstweiliger Verfügung, mittels derer er mir Aussagen verbieten möchte.
Besonders reizend finde ich einen Herrn aus München, der mir schrieb, er habe noch die Tagebücher aus der Zeit im Keller, als M. in seiner WG ein und aus ging und fragte, ob ich gern wissen würde, was darin steht.
Dummerweise hat er sich auch an M. gewandt und ihn aufgefordert, mich in Ruhe zu lassen, was ich etwas übergriffig finde, schließlich fechte ich meine Kämpfe gern selbst aus. Im weiteren Verlauf haben die beiden Herren noch einigen Sand hin und her geworfen, was damit endete, dass Matussek den Tagebuchschreiber anzeigen will.
Um den Gedanken einer meiner Twitter-Follower aufzugreifen: Wahrscheinlich hat Matussek eine Flatrate. Einmal zahlen, dreimal klagen.
Und nun zu something Traurigem. Wofür ich ein neues Wort kreieren möchte, „Gemühe“. Denn nur so lassen sich die peinlichen, in die Öffentlichkeit getragenen Bestrebungen beschreiben, Thomas Gottschalk eine neue Sendung zukommen zu lassen.
Aktuell ist RTL am Zug, und statt im Verborgenen ein Konzept zu erarbeiten, Probedurchläufe zu machen und mit etwas, das zu 100 Prozent passt, ins Programm zu gehen, werden die Gedanken öffentlich breitgetreten.
Was ein wenig an die Frage erinnert: „Wohin mit Opa?“ Und der Überlegung, ob er sich nachmittags in der Sing- oder in der Bastelgruppe wohler fühlt. Gottschalk, das zeigt sich trotz allem, was es an ihm zu mosern gibt, deutlich, ist zu groß für die Kleinhirne, die heute Fernsehen machen. Sie sind schlichtweg überfordert.
Typisch Niggemeier: er meckert
Gar nicht überfordert war der Kollege Stefan Niggemeier, der im Stern eine neue journalistische Form entdeckte – und, typisch Niggemeier, meckert.
Der Stern nämlich hat, wohl weil seinen Machern der etablierte Journalismus einfach zu langweilig ist, neuen erfunden. So, wie Tom Kummer sich Interviews ausgedacht hat, vor dem Hintergrund, dass Hollywood-Heroes wie Sharon Stone oder Tom Hanks einfach zu ödes Zeug geredet haben, so schreibt man beim Stern nicht das, was sich ereignet hat, sondern denkt sich aus, was sich ereignet haben könnte. In der Zukunft.
So geschehen im Ressort „Politik“. „Nur 48 Stunden“ heißt der Artikel zur Wahl. Ein „Vorabprotokoll der letzten zwei Tage“. Das ist die Etablierung von „Futur II“ als journalistische Stil- bzw. Reportageform.
Was-war-Beschreibungen sind öde
Niggemeier, dieser Miesepeter, findet das natürlich verwerflich. Aber der ist auch so engstirnig! Anstatt dass er mal sieht, was das heißt! Gerade jetzt, wo der Journalismus so infrage steht. Dabei ist es kein Wunder, dass kein Leser mehr Geld ausgeben will für die öden Was-war-Beschreibungen.
Wie großartig sind da die Möglichkeiten, aufzuschreiben, was gewesen sein könnte. Das sind ganz neue Wege! Man wird sich nie wieder an das halten müssen, was sich ereignet! Endlich wird Journalismus wieder interessant!
Der Stern geht neue Wege. Ich geh mit! Morgen schon schreibe ich die Reportage: „Schatz im Staub – Wie Eva Brauns Tagebücher gefunden wurden“. Deswegen gebe ich jetzt schnell zurück nach Berlin!
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