Kolumne Die Kriegsreporterin: In Gucci den Amazonas runter
Der Conde Nast Traveler soll lifestyletauglich werden, Gruner & Jahr gibt Fotografie-Tipps und RTL macht mit einer neuen Sendung Kinderhefte lebendig.
H allo, taz-Medienredaktion!
Während bei uns der Teufel als Fahrstuhlführer im Springer House of Bits and Pieces die Tür aufhält, wartet in den USA der Prada-Diabolus nicht erst auf den Lift. In Gestalt von Vogue-Chefin Anna Wintour, neuerdings auch „Artistic Director“ beim Verlag Conde Nast, fegt er aktuell durch das Reisemagazin Conde Nast Traveler und schmeißt alles raus, was sich bis 17 Uhr noch nicht erschossen hat. Die gesamte Foto- und Grafikredaktion, der Chefredakteur, seine Vize plus diverse Redakteure hatten 24 Stunden Zeit, die Schreibtische, an denen sie zum Teil seit 25 Jahren saßen, zu räumen.
Abfindung: angeblich das Gehalt von zwei Wochen pro Arbeitsjahr. Verträge mit freien Autoren und Fotografen, von denen einige auch seit über 20 Jahren für das Blatt arbeiten – gekündigt. Zurzeit soll zwar keiner eine Vorstellung davon haben, wie das nächste Heft auf den Markt kommen soll, klar scheint zumindest, dass es Leute mit Modebackground sein werden, die der Teufel auf die freien Stühle setzen will. Damit das Blatt lifestyliger wird. Wahrscheinlich wird von nun ab der Amazonas in Gummistiefeln von Gucci erkundet.
Interessante Wege geht auch Gruner & Jahr, der ehemalige Verlag, der sich auf Anything but Journalism spezialisiert hat und durch die Verlagerung seiner Standorte Personal loszuwerden versucht. Weil am Baumwall, anders, als in New York noch bekannt ist, was verlegerische Verantwortung bedeutet, gibt man mittels Hinweisen zur Freizeitgestaltung all jenen, die beim Umbau des Hauses zum „Inhalte-Haus“ auf der Strecke bleiben, Anregungen, wie sie ihre neue Quality-Time füllen können.
Viva, einst ein G & J-Frauenmagazin und heute ein Heft für Menschen in der „letzten Berufsphase“, wie es mal hieß, klärt in diesem Zusammenhang die Frage: „Wie lernt man eigentlich richtig fotografieren?“ Was ja wirklich eine schöne Beschäftigung ist. Fotografieren. Damit kann man dann auch noch mal was werden und etwa sein Essen ablichten, das man dann für umme bei G&Js Chefkoch.de einstellt.
Focus beantwortet, wer das peinlichste Blatt der Nation bleibt
Wohl nix mehr werden wird es mit Focus. Das Blatt lässt zwar etliche seiner Redakteure ihre Koffer packen, um von Berlin statt von München aus über die Bundespolitik zu schreiben, kommt aber über das geistige Niveau des Betreuungsgeldes nicht hinaus: „Will Hannelore Kraft die neue Mutti der Nation werden?“, fragt es und beantwortet mit diesem zur Schau gestellten Geistesradius auch die Frage, wer auf immer das peinlichste Blatt der Nation bleiben wird. Da kann auch Berlin nicht helfen.
Wer sich hingegen gut ergänzt, sind RTL Nitro und die Urzeitkrebse. Das Fernsehprogramm, das sich an Männer richtet, denen „Berlin Tag und Nacht“ zu schwul ist, wird ab Dezember „Yps – Die Sendung“ zeigen. Nicht zu verwechseln mit „Upps! Die Pannenshow“, wird hier das Kinderheft der 70er lebendig, das sich seit Neuestem an Jungs richtet, die schon geschieden sind. Die Nitro-Leute verstehen die Sendung als Wissenssendung und wollen prüfen, wie gut die Gimmicks sind, die dem Heft beiliegen. Dazu braucht man keine Sendung.
Das kann ich auch sagen, ich habe damals mein Taschengeld dafür gegeben: Die Fotokamera, die Wasser spritzt, war ein Totalreinfall, weil kein Mensch so blöd war, das schwarze Plastikding als Kamera auszumachen, und die Brille, mit der man dank Seitenspiegel sehen sollte, was hinter einem passiert, hat auch nicht funktioniert. Nur die Urzeitkrebse waren super. Die leben noch immer. Allerdings sind sie vor Jahren ausgezogen und moderieren jetzt als Claus und Gundula das „heute-journal“.
Und nun zurück nach Berlin!
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