Kolumne Die Kriegsreporterin: Der „Spiegel“ auf der Plastiktüte
Wird der „Stern“ eine gut geschmückte Braut? Und: Warum britische Zeitungen trotz Dauerfeuer zum 1. Weltkrieg in der Krise sind.
H allo taz-Medienredaktion!
Um genau so anzufangen wie in meiner letzten Kolumne: Kann ich nicht mal kurz das Land verlassen, ohne dass hier alles drunter und drüber geht? Ohne dass im Geheimen ausgetüftelte Pläne zum Rausschmiss namhafter Chefredakteure ihre Umsetzung finden?
Wobei die interessante Frage vor allem ist, warum Stern-Chef Dominik Wichmann ausgerechnet jetzt rausgeschmissen wird. Und warum er durch Christian Krug ersetzt wird, den Mann, der mit Hajo Schumacher mit dem Versuch, aus der Zeitschrift Max eine ernst zu nehmende Konkurrenz für den Stern zu machen, kolossal gescheitert ist? Kann es sein, liebe Julia Jäkel, dass Krug, der als wenig zimperlich gilt, geholt wird, Ihre Personalabbaupläne umzusetzen, damit der Stern wie eine gut geschmückte Braut dasteht, wenn es um den möglichen Verkauf von Gruner & Jahr (G&J) geht?
Sehr lustig finde ich, dass es Plastiktüten gibt, auf denen die deutschsprachigen G&J-Produkte aufgedruckt sind und auf denen auch das Logo des Spiegel prangt. Gerade so, als würde neben Geo, PM und Brigitte auch der Spiegel bei G&J erscheinen. Tut er aber nicht. G&J ist nur mit 25,25 Prozent am Spiegel beteiligt. Aber man kann ja mal so tun, als würde man noch was mit Journalismus machen.
Auf der anderen Seite passt das, was mal ein Nachrichtenmagazin war und sich nun zum Focus der Gegenwart entwickelt, gut ins G&J-Portfolio. Schließlich kann der Spiegel mit seinem überaus erfolgreichen Titel „Bewegung“ nahtlos an Hefte wie Stern gesund leben und Mom anschließen. Aber Obacht!, möchte ich den KollegInnen vom Orangefarbenen zurufen. Nicht, dass Bertelsmann, zu 74,9 Prozent Eigentümer von G&J, euch gleich mit verscherbelt. Immerhin seid ihr ja schon auf der Plastiktüte …
Urlaub in England
Ach nee, ach nee! Dabei hatte ich in meinem Urlaub so eine schöne Zeit! Meine Gastgeber, die Engländer, begingen das hundertjährige Jubiläum zum Eintritt des Königreichs in den Ersten Weltkrieg mit so viel Liebe und Detailversessenheit, dass man gar nicht glauben mag, dass der Krieg schon vorbei ist! Da laufen die Zeitungen zu Höchstform in ihren Darstellungsformen auf, dass man sich fragt: Warum Zeitungskrise? Kann ein Krieg je hinreichender und eindrucksvoller dargestellt werden, als die britische Presse es vermag?
Da macht es auch nichts, dass man keine Information über die Abstimmung der Schotten über mögliche Autonomie erhält und dass einem keiner sagen kann, ob so eine Autonomie auch den Austritt aus dem Königreich bedeutet – völlig egal, in Anbetracht der Kreativität, die dieser auch nach 100 Jahren noch so faszinierende Weltkrieg freizusetzen vermag!
Da kann man sich nur wundern, dass tatsächlich einige Briten auf die Idee kommen, ihre Kinder nach den Figuren der TV-Serie „Game of Thrones“ zu benennen …
Allerdings sind nicht alle auf der Insel im gedanklichen Dämmertörn gefangen. So beklagten sich LeserInnen beim Chefredakteur der Times über die Kommentierung des Umstands, dass Angela Merkel ein blaues Kleid zum zweiten Mal auf einem öffentlichen Anlass getragen hat. Auch einigen deutschen Medien war dieser Umstand dumme Kommentare bzw. die bloße Erwähnung wert. Und auch ihnen begegnete ein solcher LeserInnengroll, dass man annehmen kann, dass bald auch die allerblödesten KollegInnen kapiert haben werden, dass man mit Zurschaustellung seiner geistigen Beschränktheit den Kampf um Leserinnen und Leser nicht gewinnen kann.
Ach, wie schön, langsam werde ich wieder warm! Und damit zurück nach Berlin!
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