Kolumne Die Farbe Lila: Auf Kuschelkurs am Kampftag
Sie haben einen Uterus? Pech gehabt, denn dann werden sie weniger Gehalt bekommen.
A m Freitag war ich mit roter Tasche unterwegs, es war ja Equal Pay Day. An diesem Tag wird auf die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen hingewiesen, und die roten Taschen sind ein Symbol gegen rote Zahlen. Am Abend fragte ich mich, ob dieser Tag überhaupt was verändern kann.
Der Öffentlichkeit wurden mal wieder die üblichen Schlagwörter um die Ohren gehauen: Berufswahl, Teilzeit, Gehaltsvorstellungen, Erziehungs- und Pflegezeiten, Selbstbewusstsein und ein bisschen Diskriminierung. Der zuständigen Ministerin fiel zum Aktionstag nicht viel mehr ein, als dass die Frauen ja irgendwie auch selbst schuld seien, immerhin wählten sie die schlecht bezahlten Berufe.
Ich rief Freundin P. an. Sie ist Ingenieurin und geht damit genau der Art von Tätigkeit nach, die Frauen ans Herz gelegt wird, damit sich niemand mehr für die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern schämen muss. Sie erzählte mir eine kleine Geschichte: Vor wenigen Jahren bewarb P. sich in dem Unternehmen, in dem auch ihr Mann arbeitet.
Sie haben die gleiche Ausbildung und ihre Berufserfahrungen waren zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ähnlich. Freundin P. wurde zum Gespräch eingeladen und nach ihren Gehaltsvorstellungen gefragt. Sie kannte das Einstiegsgehalt ihres Mannes, also schlug sie diese Summe vor. "Die haben mich angesehen, als sei ich wahnsinnig." Das Gegenangebot des Personalleiters lag 800 Euro unter ihrem Vorschlag, das könne man ja später immer noch steigern, wenn sie eine Weile im Unternehmen sei. " ,Sie sind ja auch schon 31', hat der Typ echt gesagt", ruft P. durchs Telefon. "Klar, dass ich den Job nicht genommen habe. Der Arsch wollte mir weniger Geld geben, weil ich einen Uterus habe!"
So viel zu Kristina Schröders Lösungsansatz, nein: "Lösungsansatz", der richtige Job führe automatisch auch zum richtigen Gehalt. Das ist genauso kurz gedacht wie einfach nur bessere Kinderbetreuung zu fordern - was Schröder in ihrem Statement zum Equal Pay Day natürlich erwartungsgemäß tat.
Mit dieser Forderung kann man ja nun eigentlich nichts falsch machen. Man kann sie aber im denkbar ungünstigsten Zusammenhang verwenden und so ein schönes Paradoxon produzieren: Der Ausbau der Krippen kommt vor allem deshalb nicht so recht voran, weil es zu wenige Erzieherinnen und Erzieher gibt. Heißt: zu wenige Frauen, die diesen schlecht bezahlten Job machen wollen. Nach Schröders Logik ist aber jede Frau klug, die diesen Job nicht macht und dazu beiträgt, die Gehaltslücke zu schließen.
Was wirklich helfen würde: Erziehungsberufe als Universitätsabschlüsse anbieten, was übrigens in der DDR Standard war. Führt zu höheren Löhnen für die Erzieherinnen. Führt zu mehr Interesse an dem anstrengenden Job. Führt zu schnellerem Ausbau der Kinderbetreuung. Führt auch zu mehr männlichem Personal in den Krippen und Kindergärten, weil Männer statistisch gesehen mehr auf das Einkommen eines Berufes achten. Führt bei Müttern zu kürzeren Ausfallzeiten wegen fehlender Krippenplätze und zu weniger Druck, wegen mieser Kita-Öffnungszeiten Teilzeit arbeiten zu müssen.
Führt aber vermutlich für einen Tag wie den Equal Pay Day, an dem sich eine Familienministerin auch einfach mal mit allgemeinem Blabla an die Wählerinnen wenden will, zu weit.
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