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Kolumne Die Farbe LilaDer Weg in die rosa Hölle

Kolumne
von Susanne Klingner

Neun Monate lang mussten wir warten, viel wissen wollten wir nicht. Nun ist sie da: Unsere neue Mitbewohnerin spuckt alles voll.

S eit drei Wochen lebt ein kleiner Mensch in meiner Wohnung. Dieser kleine Mensch ist genau genommen ein kleines Mädchen. Bis zum Tag ihrer Geburt wussten der Mann und ich nicht, ob wir eine Tochter oder einen Sohn bekommen würden. Dann kam das Kind auf die Welt und die Hebamme sagte: "Ein Mädchen!" Und band unserer Tochter ein rosa Armband mit ihrem Namen darauf um.

In den neun Monaten davor war der Entschluss, das Geschlecht unseres Kindes nicht wissen zu wollen, oft auf Unverständnis gestoßen. Immer wieder fragten Freunde und Bekannte: "Seid ihr nicht neugierig?" Klar waren wir neugierig. So neugierig wie auf Weihnachtsgeschenke. Aber aus dem Alter, in dem ich den Kleiderschrank meiner Mutter nach Geschenken durchsuchte, bin ich mittlerweile heraus. Ich kann warten. Auch ganze neun Monate lang, auf den einen Satz der Hebamme.

Wir versuchten, uns den kopfschüttelnden Freunden zu erklären. Wir hatten zwei Gründe. Der entscheidende und wichtigere: Es war uns einfach egal, wir freuten uns auf das Kind, ganz gleich ob Mädchen oder Junge. Der zweite, nicht so entscheidende, aber auch nicht unwichtige Grund: Ich hoffte, so wenigstens bis zur Geburt des Kindes einem gegenderten Tornado an Babyklamotten zu entkommen. Bis heute habe ich keine Kinderabteilung betreten. Mir reichte schon der Blick von der Rolltreppe aus in die rosa und hellblaue Hölle.

Bild: stephanie fuessenich

SUSANNE KLINGNER ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt auf mädchenmannschaft.net.

Große Menschen schenken aber zur Geburt von kleinen Menschen gern putzige Strampler und Mützchen und Lätzchen, und ich kann diesen Menschen schlecht Vorschriften machen, welche Farbe ihr Geschenk haben soll. Weil aber die Klamottenproduzenten für Menschen unter 60 Zentimeter nur die Farben Rosa und Hellblau zu kennen scheinen, beschwerte sich eine Freundin: "Dann weiß ich ja gar nicht, welche Farbe ich kaufen soll!" - "Irgendeine halt. Bunt!", war meine Antwort, die aber bei der Freundin nur hochgezogene Augenbrauen auslöste. "Ich geb dir gern die Nummer meiner Frauenärztin, vielleicht lässt sie sich überreden, dir das Geschlecht des Kindes zu sagen", zog ich sie auf. "Pfff", antwortete sie nur, und: "Dann kauf ich halt was Gelbes." Sehr gern.

Ein erschreckend großer Teil unserer Bekannten glaubt, kleine Babymädchen dürften nur die Babymädchenfarbe Rosa tragen - und sind noch dazu der Überzeugung, das sei die "natürliche" Farbe für ein Mädchen; ungeachtet der Tatsache, dass noch vor rund hundert Jahren kleine Babyjungs Rosa und die Mädchen Hellblau trugen. Deswegen werden nun seit der Geburt doch rosa Klamöttchen in unsere Wohnung getragen. Dem Kind ist es egal, es ist da nonchalanter, als ich es bisher war. Es spuckt einfach alles voll, was es gerade am Leib trägt. Dem Kind ist genauso egal, dass es die meiste Zeit die Berge hellblauer Strampler, Hosen und Hemdchen seiner drei Neffen aufträgt.

Sie hat meinen Hass auf all das Rosa da draußen in der Welt und auf die damit verbundene unausgesprochene Aufforderung für Mädchen, sich nur nicht schmutzig zu machen, sogar schon gemildert: Wenn es später in rosa Kleidchen genauso freudig in Matschpfützen springt, wie es jetzt spuckt, und sich beim Ballspielen Grasflecken zuzieht, anstatt sich von Schmutz und Abenteuer fern zu halten, dann kann es tragen, was es will. Es muss keine lila Latzhose sein.

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7 Kommentare

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  • D
    Denasmam

    Ich kämpfe den Kampf gegen rosa Klamotten nun schon seit knapp zehn Jahren, mit wechselndem Erfolg. Damals, als ich wußte, es würde ein Mädchen, erteilte ich der Oma umgehend "Rosa-Verbot". Es war ganz schön schwierig, nette Kinderkleidung zu bekommen, die NICHT rosa mit Rüschen oder braun mit Sport- oder Militärsymbolen waren. Insofern: toller Artikel, spricht mir aus der Seele!

  • P
    pastinakenbrei
    und ich begreife nicht, was daran schlimm sein soll, Freunden und Familie zu verklickern, bitte NICHT rosa und blau-farbene klamotten zu besorgen.

     

    @weibsbild

    das scheint ganz ungeheuer schwer zu sein. wenn man sich mal in entsprechenden foren und blogs umschaut, mischen sich ja ständig (mehrheitlich fremde) menschen in die belange junger eltern ein und diese bekommen es nicht hin, sich dagegen abzugrenzen. sie lassen jedes gelaber über sich ergehen und beschweren sich später in internet.

  • S
    Schwäbin

    Erstmal herzlichen Glückwunsch !

     

    Leider wird das mit dem Rosa noch schlimmer.... wenn all die Kindergarten und Kita- Mädchen auch rosa/blasslila/pink tragen , alle Prinzessin Lillifee toll finden und der farbliche Herdentrieb einsetzt.

     

    Anderseits rege ich mich als Mutter von 2 Buben auch über die grauenvollen Jungenfarben auf : Olivgrün , beige , braun , anthrazit, mit grauenvollen Drucken und Camouflage, damit auch schon 4 -jährige Knirpse aussehen wie Rambo oder gestauchte Pubertisten.

     

    Man muss halt gezielt nach etwas neutralen Kleidern suchen , und GlückwünscherInnnen dürfen sich ruhig anstrengen :-))

    Ich mach das auch so !

  • A
    Anita

    @Weibsbild

     

    Es ist nicht schlimm, es Freunden und Familie zu sagen, dass sie bitte nichts in Rosa schenken sollen.

    Es ist schlimm, dass sie es trotzdem tun.

    Vor allem die Familie (die man sich bekanntlich nicht aussuchen kann) interessiert es einen Scheissdreck, ob man sagt, dass man nichts Rosafarbiges will.

    Aber wehe, man erwaehnt bei einem Geschenk, dass man ja eigentlich gesagt hatte...

    Hab selber 'ne Babytochter und der Schrank quillt ueber vor Rosa.

  • S
    San

    Sehr richtig, ich habe zwar keine Kinder, verschenke aber prinzipiell nichts Geschlechtsstereotypes in hellblau oder rosa. Zuletzt habe ich mich für grün entschieden.

  • W
    Weibsbild

    und ich begreife nicht, was daran schlimm sein soll, Freunden und Familie zu verklickern, bitte NICHT rosa und blau-farbene klamotten zu besorgen. überhaupt erstaunlich, dass man das offenbar wieder betonen muss ... und das als bloggende Feministin? *wunder*

     

    ps: herzlichste Glückwünsche btw!!!

  • S
    Sonnenschein

    Vielen Dank,

     

    das spricht mir total aus der Seele! Ich begreife auch nicht, warum es nur rosa und blau sein kann. Und unfairerweise darf man kleinen Mädchen blau und braun anziehen, aber wehe, man zieht seinem kleinen Sohn etwas an, das auch nur den Hauch von lila oder rosa in sich trägt. Dann wird man sofort komisch angeschaut.

    Ich verschenke bei Neugeborenen aus Prinzip keine rosa oder hellblauen Klamotten. Im Moment stricke ich Babysöckchen in Regenbogenfarben. :)