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Kolumne Die Farbe LilaFrauen gegen Frauen

Kolumne
von Susanne Klingner

Feministin zu sein ist anstrengend, nervig, frustrierend. Die schlimmsten Kritikerinnen sind Feministinnen selber.

L asst mich in Ruhe!", forderte Zeit-Redakteurin Ursula März vor Kurzem in einem Essay. "Ein emanzipiertes Subjekt hat keinen Gefallen daran, ohne Unterlass gemustert, beratschlagt, beurteilt, kurzum: gegängelt und bevormundet zu werden", schrieb sie. Und ich denke mir: Ja, tatsächlich wäre eine Pausetaste für den Geschlechterdiskurs schön.

Feministin zu sein ist nämlich viel zu oft ziemlich scheiße; es ist anstrengend, nervig, frustrierend. Dem Klischee der frustrierten Emanze begegne ich nicht selten - meistens im Spiegel. Aber wie sollten Feministinnen auch nicht frustriert sein, wenn sich doch so ätzend wenig tut in Sachen Gleichberechtigung. Und bitte jetzt kein "Frauen ging es vor hundert Jahren viel schlimmer, es hat sich schon so viel getan". Ich wills nicht hören, echt nicht. Ich will, dass mein Leben und das Leben von Frauen heute gut ist. Wirklich gleichberechtigt.

Zu allem Überfluss wird über die mit den emanzipatorischen Forderungen immer wieder diskutiert: Ist die überhaupt eine richtige Feministin? Denn: Wer sich Feministin nennt, bekennt sich offenbar nicht einfach nur zu bestimmten Werten, sondern muss sich einem ganzheitlichen Lebenskonzept verschreiben und dieses bitte bis ins verstaubteste Eck ihres Leben einhalten. Sie darf nicht die Stirn krausziehen, wenn die Waage wieder ein Kilo mehr anzeigt.

Bild: Stephanie Fuessenich

SUSANNE KLINGNER ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt als Frau Lila.

Nicht "Germanys Next Topmodel" schauen. Sie muss den jüngsten Report von Terre des femmes oder Medica Mondiale lesen, anstatt "Bridget Joness Diary". So etwas wie gut gepflegte guilty pleasures, die jeder Mensch für ein gesundes Ich braucht, sind für Feministinnen aber tabu - auf weniger als ein perfektes Emanzenleben steht die verbale Steinigung im öffentlichen Diskurs.

Das Schlimmste ist: Die größten Kritiker von Feministinnen sind andere Feministinnen. Zum Erscheinen des Buchs "Wir Alphamädchen" diskutierten Feministinnen jeglicher Couleur erst einmal, ob ich jetzt tatsächlich und überhaupt eine echte Feministin sei. Die meisten kamen zu dem Schluss: Auf keinen Fall! Zu mainstreamig, zu wellnessig, zu lebenslustig, gut gelaunt, zu leicht verständlich, zu jung - ganz einfach zu unpassend.

Zeit-Redakteurin Ursula März schreibt über Frauen: "Zu erleben, wie sie sich begegnen, sich gegenseitig belauern und bewerten, ist eine deprimierende Erfahrung. Man steht dabei und möchte rufen: Lasst los! Dies, diese Hysterie unfreier und unfreiwilliger Lebensplanwirtschaft, kann mit Feminismus ja wohl nicht gemeint gewesen sein." Sie trifft damit mitten in die Problemzone des Feminismus.

Das gegenseitige Belauern der verschiedenen emanzipatorischen Strömungen ist fast schon so etwas wie das Markenzeichen des deutschen Feminismus. - "Entspannt euch!" will auch ich rufen. Und vor allem: "Ihr werdet doch alle gebraucht." Manche gesellschaftliche Missstände werden sich mit Graswurzelarbeit beseitigen lassen, andere durch radikale Protestaktionen. Warum soll es nicht beides geben?

Ich verstehe Ursula März Ruf nach einer Pause im Geschlechterdiskurs gut - aber wenn meine "nur" sieben Monate Elternzeit dumm kommentiert werden, wenn ich sexistische Werbung sehe oder Familienministerien Kristina Schröder; dann hebt sich meine innere Faust: "Ursula, der Kampf geht weiter." Tut mir leid.

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13 Kommentare

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  • H
    Horsti

    Feminismus macht unglücklich?

    Nun, das ist ja schon lange bekannt.

    Wen sich jemand tagtäglich als unterdrücktes Wesen sieht, und sich über den Begriff "Feministin" sogar zu dieser "unterdrückten" Gruppe definiert, bleibt das eben nicht ohne Auswirkungen auf die Persönlichkeit.

    Da hilft es auch nicht viel wenn man da das Attibut "Alpha-Mädchen" dranhängt.

  • M
    Marie

    Emanzipation bedeutet ja nun nicht, dass man alte, restriktive Denkmodelle durch neue, restriktive Denkmodelle ersetzt. Die Freiheit im Kopf kann einem niemand durch die Gesetzgebung bringen - da muss frau schon selbst ran. Ich kann aber mit dem Befindlichkeitsgejammer der Alpha-Mädchen *grusel* eh nix anfangen - hat für mich Brigitte-Niveau. Allerhöchstens ;-)

  • G
    gast

    3 - 2 - 1 - Kriiiing.Pause zu Ende. Weiter geht es mit dem Kampf.

  • I
    irgendeine

    danke Macho, ausgerechnet du schreibst mir aus der seele ;-)

     

    hinzu kommt: ich fühle mich weder als alpha-irgendetwas (gehört schließlich ins tierreich) noch als mädchen. diese verharmlosende form der selbstironisierung (?) ist mir zu anbiedernd. ich muss nicht everybodies darling sein. genau darin liegt meine freiheit.

  • N
    Naja

    Ich hielte schon für einen großen Fortschritt, wenn in den vielen gesellschaftlichen Debatten, die zum Thema "Gleichberechtigung" geführt werden, endlich einmal der korrekte Begriff "Gleichheit" eingeführt würde. Denn genau darum geht es, bezüglich Frauen ebenso wie in anderen Fällen. Denn die eingeforderte GleichBERECHTIGUNG ist längst realisiert; was gefordert wird, ist aber GLEICHHEIT. Damit würde allerdings deutlich schwieriger, die Forderungen zu begrünen, denn ein Recht auf Gleichheit haben wir zumindest nicht im Grundgesetz.

  • K
    krauskopf

    wenn alle gleiche rechte haben, liegts an jedem selbst, etwas draus zu machen.

  • DP
    Daniel Preissler

    wenn 2 so seichte Kommentare von vermutlich dennoch intelligenten Menschen in 2 so unterschiedliche Richtungen praktisch gleichzeitig eintrudeln (Silvia und Aus Haching), dann stützt das in meinen Augen die Position der Autorin!

    Die fand ich jedenfalls rational wie emotional gut nachvollziehbar.

    Grüße, dp

  • S
    Silvia

    Solange sich bei der Autorin die "innere Faust" ballt wenn sie an die Familienministerin denkt, solange ist der Alpha-Mädchen-Feminismus nur ein müder Abklatsch des Feminismus schwarzerscher Prägung. Weil er eines eben auch nicht gelernt hat: Den kritischen Diskurs. Argumentativ herrscht da eher das Niveau von Eva Herman statt von Habermas: Wer nicht meiner Meinung ist, ist ahnungslos und dumm.

     

    Gähn.

  • AH
    Aus Haching

    Ich höre immer "Gleichberechtigung". Kann mir jemand ein Beispiel nennen, wo Frauen in Deutschland anno 2011 weniger Rechte haben als Männer?

     

    Mir als Anwalt sind spontan keine gesetzlichen Regelungen bekannt, die Männer gegenüber Frauen begünstigen. Das Gegenteil war bis vor kurzem leicht - Männer mussten zu Wehr- und Zivildienst, Frauen nicht.

     

    Liebe Frauen, gleiches (oder mehr) Recht habt Ihr seit inzwischen mindestens einer Generation.

  • I
    IAdmitIAmCrazy

    Auf die Gefahr hin, mich als als gönnerhaften Macho zu entlarven, sei's doch gesagt: Der verkrampfte Umgang mit den eigenen Positionen ist in Deutschland gender-neutral. Es ist nicht ganz einfach, eine nach wie vor minoritäre und angefeindete Position mit großer Gelassenheit, Humor und auch ein wenig Demut zu verfechten, zumal ja Demut zu den Eigenschaften gehört, die die männerbeherrschte Gesellschaft Frauen andefiniert hat und ständig einfordert.

     

    Mit Demut meine ich die Erkenntnis, dass wir DeutschInnen uns alle - Männlein UND Weiblein - damit überfordern, unsere eigenen hohen Ansprüche einhalten zu wollen. In anderen Ländern hatten und haben z.B. Kommunisten kein Problem damit, nur in den besten Lokalen zu speisen ...

  • M
    Macho

    Eigentlich heisst es ja "eine Krähe kratzt der anderen kein Auge aus" - bei euch Frauen ist das aber irgendwie anders.

     

    Und als Frau würde es mich ja richtig ankotzen, wenn mein persönliches Verhalten immer stellvertretend für alle meine Geschlechtsgenossinnen ne Bedeutung haben soll. (typische Alice Schwarzer-Argumentation; aber auch der taz-Kommentar zur BVG-Chefin, die keinen Mutterschaftsurlaub will und damit alle anderen Frauen unter Druck setzt. - So ein Schwachsinn!!!)

     

    Und solange solche Verallgemeinerungen existieren, werden Frauen nie selbstbestimmt sein.

  • S
    suswe

    Frau lese dazu " die Gärten der Kore" von Luisa Francia und sorge dafür, dass Frauen drei Jahre Erziehungszeit bei Rückkehrgarantie für den Beruf bekommen können.

  • C
    Christine

    Gute Kolumne. Fällt mir auch in der Taz auf. Hier hat man auch die Frauen, die wild austeilen. Gell Frau Selinger.