Kolumne Dazwischen: Stuck am Arsch, Schnörkel der Natur
Der Start ins neue Jahr: Joggende Wundergläubige und ein Arbeitsverhältnis auf geblümter Bettwäsche.
D as Jahr begann ganz wunderbar, wie ein Jahr beginnen sollte. Eine Party in der Landkommune, ein Spaziergang am See, viel Liebe. An Neujahr fand ich zwischen den Partyresten einen Glückskeks. "Mit ein wenig Beharrlichkeit verbessert sich Ihre finanzielle Situation" stand auf dem Zettel. Neoliberaler Vollscheiß. Ich verbrannte den Zettel im Kachelofen. Am Abend vorher hatte ich beim Bleigießen einen Hummer gegossen. Wird schon.
Facebookfreunde schrieben total stolz, dass sie gemäß ihren guten Vorsätzen dieses Jahr schon fünfmal joggen gewesen seien, trotz Nieselregen. Ich verachte Leute, die im Januar anfangen zu joggen. Ich halte das für eine gruselige Mischung aus mittelalterlicher Wundergläubigkeit und spätkapitalistischem Körperoptimierungswahn. Bah.
Warum, verdammt, schätzen nicht viel mehr Leute die Vorzüge einer hübschen Wampe? Keine fette Wabbelplauze, sondern eine liebliche, kleine Wampe. Man kann sie füttern und streicheln wie ein süßes Kätzchen, sie wärmt und schützt, ist ein avantgardistisches Accessoire und eine subtile politische Botschaft, direkt verkörperter Feminismus und nicht zuletzt ein Zeichen für Leidenschaft und Genuss, Exzess und Zwanglosigkeit - das Beste aus allen Welten!
ist Autorin der taz.
Stattdessen gehen sie joggen, die Facebookfreunde, und es tut bestimmt sehr weh bei jedem Schritt, wegen dem Stock im Arsch. Unter ihnen sind auch viele Frauen, die nicht verstehen, dass Cellulite genetisch bedingt ist. Hey, bitte, betrachtet das als eine Art Stuck am Arsch, viktorianische Schnörkel der Natur oder weiß der Geier.
Ach so, einer meiner guten Vorsätze ist übrigens, nicht mehr so diktatorisch über den Lebensstil anderer Leute zu urteilen. Ich hasse nämlich Leute, die das machen. Dann lieber Komplimente machen, jedenfalls überall da, wo es ehrlich gemeint ist. Immer wieder, zwischendurch, unerwartet, zack.
Deswegen schrieb ich am Samstag meiner Kollegin L., dass ich ihr neues Buch wunderbar finde. Sie schrieb auch gleich ein Kompliment zurück: "Ach, liebe Margarete, das freut mich so, dass es dir gefällt. Weil ich deine Texte auch mag! Obwohl wir nicht verwandt sind und noch nicht zusammen im Bett waren." Warum schrieb sie "noch nicht"? Solche Komplimente mag ich. Direkt, frei heraus, mit einer leichten erotischen Ahnung.
Abends war ich dann mit Kollege A. in einer Kneipe. Wir redeten viel und ich erzählte ihm mein Leben, er mir seins. Alle Abgründe, oder fast alle. Während wir redeten, fickten unsere Seelen. Oder nein, eigentlich fickten sie nicht, sondern sie machten Liebe auf frischer, geblümter Bettwäsche. Das sah man von außen nicht, aber von innen war es klar. Dann ging ich pinkeln und als ich zurückkam, hatte er nochmal Schnaps bestellt. Marillenschnaps! Dazu zwei Gläser Wasser. Vollrausch und Fürsorge. Oh Gott, dachte ich, ich liebe ihn.
Das Ende kam, weil die Kneipe zumachte. Alle gingen nach Hause, zu sich, weil der Sex war ja schon gewesen. Am nächsten Tag machte ich A. ein Kompliment: "Übrigens, ich mag unser Arbeitsverhältnis." Ich auch, sagte er. Weiß aber gar nicht, ob er mich richtig verstanden hat.
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