Kolumne Das Tuch: Der Tuchhasser von der Tankstelle

Sonne, Freundlichkeit, Gute Musik. Kann das Deutschland sein? Zum Glück hat wenigstens einer miese Laune.

Endlich: Der Tankwart flucht und murmelt etwas von Kopftüchern. Bild: ap

Ich bin auf Mission. Ich möchte meiner Freundin Maya Deutschland zeigen. Maya ist halb französisch, halb amerikanisch-japanisch, hat überall und irgendwie gelebt, spricht neben Englisch, Französisch und Japanisch auch Swahili, trägt ein Kopftuch und studiert mit mir in London. In den vielen Stunden, die wir bei mir im Zimmer herumphilosophierten, erzählte ich ihr von Deutschland. Jetzt will sie es selbst sehen.

In Hamburg trinken wir Tee vor einem linksalternativen Café. Auf der Straße spielt Musik, die Menschen sind freundlich, die Sonne scheint. Kinder rasen auf Skateboards vorbei, Menschen jeder Hautfarbe sitzen um uns herum. Maya nippt Früchtetee. Und ich sage: "Das ist aber nicht Deutschland."

Nächster Stopp: Berlin. Dort angekommen, flüchten wir vor der Sonne in die vielen Allerlei-Läden mit Kissen, Vasen und Musik aus Afrika und Asien. Zu viel orientalistisches Klischee und exotisierend dazu. Schön finden wir es trotzdem. Am Ende der Straße quetschen wir uns in einen Foto-Automaten und ziehen Grimassen. Als das Schwarz-Weiß-Bild endlich kommt, sage ich Maya: "Weißt du, das ist nicht Deutschland."

Auf dem Kottbusser Türkenmarkt bleibt Maya vor einem kleinen Stand mit Schmuck und Ölbildern der Massai stehen. Der Besitzer, ein Massai in traditioneller Kleidung, unterhält sich mit ihr auf Swahili. Da kommt eine eine Weiße dazu und schiebt ihren Kinderwagen hinter den Stand. "Meine Frau und Tochter!", sagt der Verkäufer. Maya lächelt und wir verabschieden uns. "Aber das ist nicht Deutschland", erkläre ich. Maya nickt.

Die nächsten zwei Tage verbringen wir auf einem Festival in der Nähe von Köln, dem "Sufi Soul Festival". Muslime aus ganz Europa sind angereist. Maya und ich liegen auf einer Decke in Bühnennähe und genießen die Trommelmusik. Wir treffen Freunde aus London, lernen andere Menschen kennen. Ein deutsch-irakisches Mädchen zum Beispiel, sie möchte Musiktherapie studieren. Dann unterhalten wir uns mit einem japanisch-britischen Pärchen, das durch die Weltgeschichte reist - auf der Suche nach einem Platz zum Leben. Andalusien wird es wohl werden. Im Auto kommt mir Maya zuvor: "Das ist nicht Deutschland, ich weiß", sagt sie und lacht.

An der nächsten Tankstelle steht Maya an der Kasse, um Shampoo zu kaufen. "4,50 Euro!", sagt der Mann, ein Mittvierziger. "Nein, 3,50!", sagt Maya auf Englisch. So stehe es auf dem Regal. Der Mann flucht und murmelt etwas von Kopftüchern und Ausländern. Ich springe Maya bei. Er schaut mich wütend an. Er habe Besseres zu tun, zischt er. Vor dem Regal sehen wir: Maya hatte recht. Das Shampoo kostet 3,50. Doch der Kassierer gibt nicht auf. "Das ist falsch!", sagt er und nimmt alle Shampoos aus dem Regal. Die stünden nicht zum Verkauf. Außer natürlich, wir würden 4,50 bezahlen. Machen wir natürlich nicht.

Im Auto fragt Maya: "Ist das Deutschland?" Genervt will ich "Ja" sagen, dann denke ich an die vergangenen Tage und möchte mit "Nein" antworten. Ich zögere. Und sage dann: "Das alles zusammen, das ist wohl Deutschland."

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