Kolumne Das Tuch: Der Islam ist eine Hautfarbe
Stoppt die Zwangsislamisierung Deutschlands! Disco für meine Freundin!
E ine Morddrohung habe ich erhalten. Meine erste. Ich sollte mich wohl geehrt fühlen. Eine Morddrohung ist ein Ritterschlag für jeden Meinungsmacher. Wer heutzutage was auf sich hält, schmückt sich mit seinen Kritikern und vor allem mit seinen Bedrohungen. Je gefährdeter die Person und Meinung, desto wichtiger wird man. Danke. Aber nun zum Thema.
Aus gegebenem Anlass - quasi als Dankeschön - schließe ich mich meinen Kritikern an und fordere einen Stopp der Islamisierung Europas. Auch ich finde es erschreckend, wie viele Menschen nun plötzlich zu "Muslimen" gemacht werden.
Unauffällige Bürger Deutschlands, die sich bis dato nie mit Religion oder dem Islam beschäftigt hatten, bekommen plötzlich ein "Muslim"-Etikett verpasst. Zack! Zum Beispiel meine atheistische iranische Freundin, die von vielen Deutschen pauschal unter der Kategorie "Muslimin" geführt wird. Deswegen muss sie ihnen gegenüber ihre Partygänge und ihren Alkoholkonsum verteidigen. Oder ein türkischer laizistischer Bekannter, dem kein Schweinefleisch mehr angeboten wird. Die beiden wurden quasi zwangsislamisiert und hocken nun in einem Boot mit praktizierenden Muslimen. Und wie viele andere müssen nun auch sie geradestehen für eine Religion, die sie weder kennen noch kennen wollen.
Kübra Yücel, 22, lebt in Hamburg und studiert dort Politikwissenschaften. Daneben schreibt sie ihren Blog "Ein Fremdwörterbuch".
Dass wir alle in einem Boot sitzen, ist für uns alle sehr ungewohnt. Einige ergeben sich der Rollenzuschreibung und gehen auf spirituelle Entdeckungsfahrt. Und - welch Überraschung! - entdecken die Religion für sich. Yes, die Zwangsislamisierung funktioniert wunderbar. Und die Kopftuchmädchenproduktion wird angekurbelt.
Interessant ist doch, wie es zu dieser Etikettierung kommt: Nicht etwa der türkische Gemüsehändler nimmt sie vor, sondern ebene jene, die panisch vor der drohenden Islamisierung Europas warnen. Jene, die mit dem Finger auf jede phänotypisch undeutsche Person zeigen und "Moslem!" rufen. Sie sind es, die meinen Freunden eine muslimische Identität geben, um sie anschließend darauf zu reduzieren und anzugreifen. Lustigerweise merken die Pseudokritiker nicht einmal, wie sie die groß machen, die sie eigentlich klein halten wollen.
Muslime in Deutschland sind schon lange nicht mehr nur religiöse Menschen islamischen Glaubens. "Muslime" in Deutschland sind die "Ausländer" von früher, die "Gastarbeiter" von damals. Und auch die Debatten und Diskussionen drehen sich nicht um den Islam als Religion, sondern um die Muslime als Ethnie. Der Islam wurde ethnisiert.
Für manche meiner Freunde ist das Muslimsein inzwischen wie eine Hautfarbe. Eine fremdbestimmte Identität. Und die Gesellschaft lässt ein Ablegen dieser Identität nicht zu.
Deshalb kann man bei Islamophobie sehr wohl von einer Form des Rassismus sprechen. Und der kann nicht durch die Aufklärung über den Islam bekämpft werden, sondern durch Aufklärung über Rassismus.
Deshalb, lieber Absender meines ersten Morddrohbriefs: Du bist ein Rassist. Es ist mir wichtig, dass das hier steht. Schwarz auf weiß.
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