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Kolumne DarumJunior-Manager bei Prahlhans.de

Maik Söhler
Kolumne
von Maik Söhler

Viele Kinder sind Angeber. Bis sie merken, wie anstrengend die Angeberei auf Dauer ist. Leider begreifen das längst nicht alle.

„Prahlen sollst du erst auf dem Heimweg“ – Astrid Lindgren. Foto: Imago / Froodmat

D a sitzen sie nun und prahlen. „Weggebatscht hab ich den, einfach nur weggebatscht.“ – „Von denen hatte keiner eine Chance gegen mich.“ – „Die schlotterte schon, als sie mich sah.“ – „Der kam noch nicht mal mit meiner Eröffnung zurecht.“

Ich hole drei Jungs vom Schachturnier ab und verfrachte sie auf die Rückbank des Autos. Einer braucht noch einen Kindersitz, die anderen hocken auf Sitzerhöhungen. In ihrer Selbstwahrnehmung aber sind es drei Throne, auf denen sie sich niedergelassen haben, denn sie haben die meisten ihrer Spiele gewonnen. Nun muss das gemeine Volk ihren Heldensagen huldigen. Und das gemeine Volk bin ich.

Es ist egal, ob die Sportartart Schach, Fußball, Hockey, Handball oder Tennis heißt. Und es ist egal, ob die Jungs fünf, sieben oder neun Jahre alt sind. Die Prahlerei nach einem Sieg ist so sicher wie die üppigen Schuldzuweisungen an andere im Fall einer Niederlage.

Schnell löst sich während der Fahrt die Angeberei von ihrem konkreten Anlass und kippt ins Allgemeine. Es scheint, als könne ein Sieger keine anderen Sieger neben sich dulden: „Wenn du denkst, du kannst im Survival-Modus von Minecraft mithalten, dann wirst auch du weggebatscht!“

Der Ton wechselt zwischen selbstgefällig, unerträglich laut und schrill hin und her, Münchhausen war ein schweigsamer und zurückhaltender Geselle dagegen. Über Jahre kann das so gehen, doch irgendwann ändert sich auf der Rückbank etwas. Einer prahlt wie immer, doch die anderen beiden steigen nur halbherzig oder gar nicht mehr in den Überbietungswettbewerb ein.

Neunjährige in Businessanzügen

Münchhausen war ein schweigsamer und zurückhaltender Geselle dagegen.

Es ist ihnen einfach zu anstrengend geworden, ständig besser sein zu wollen als der Beste der Besten. Sie lenken das Gespräch plötzlich lieber in eine andere Richtung, wo schrille Steigerungen und brachiales Geprotze hinter gemeinsamem Gekicher oder kindlichen Fachsimpeleien über Computerspiele zurückstehen müssen.

Ich wundere und freue mich. Bei diesen Sportabholfahrten die Ohren nicht länger auf Durchzug stellen zu müssen, das ist ein deutlicher Gewinn an Lebensqualität. Ich beschließe, darauf abends beim Fußballgucken in der Kneipe mal ein Bier mehr zu trinken.

Am Nebentisch hocken vier junge Männer. Sie sind, wie nicht zu überhören ist, „Junior-“ und „Senior-Manager“ bei einer großen Berliner Internetfirma. Da sitzen sie nun und prahlen. „Ausgeknockt hab ich den beim Vertragsentwurf, einfach nur ausgeknockt.“ – „Von denen hatte keiner eine Chance gegen meine Perfomance.“ – „Die schlotterte schon, als sie mein Portfolio sah.“ – „Der kam noch nicht mal mit meiner Sales-Strategie zurecht.“

Ihr Ton wechselt zwischen selbstgefällig, unerträglich laut und schrill hin und her, Münchhausen war ein Eremit und schüchterner Geselle dagegen. Sie kommen nicht vom Schachturnier, sondern von einem Wochenend-Meeting. Sie müssen nicht mehr von ihren Eltern abgeholt werden, Kindersitze und Sitzerhöhungen brauchen sie schon lange nicht mehr.

Und doch benötigen Sie, diese Neunjährigen in Businessanzügen, gemeines Volk, das ihren Heldensagen huldigt. Nur: Das gemeine Volk bin ich in diesem Falle nicht. Ich zahle und ziehe eine Kneipe weiter.

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Maik Söhler
Journalist
Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.
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8 Kommentare

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  • Ist schon was her, allerdings sehr guter Artikel. Was wäre die Welt, wenn die jeder sich um sich selbst kümmern würde, satt mit dem Finger immer auf andere zu zeigen!

  • Psychologisch gesehen ist das "Prahlen" der Kinder lästig, aber normal. Gerade in der beschriebenen Altersphase, wo das Kind noch meist im "Kindheits-Ich" verharrt, aber auch schon wahrnimmt, dass es diese Abhängigkeit nicht mehr möchte, hilft das Prahlen sich selbst aufzuwerten. Für den Erwachsenen ist es das Beste die Kinder allein zu lassen - das müssen sie unter sich selbst ausmachen.

     

    Übrig bleiben dann allerdings die "Helden", die "Obercoolen", die "Checker". In der Pubertät können sie richtig unangenehm sein, da sie stets eine Bühne und ihre Claquere brauchen. Hier hilft gezielter pädagogischer Eingriff um sie auf den Boden zurück zu holen. Danach erfolgt dann ein Gespräch mit der Schulleitung, weil sich die betreffenden Eltern über die unsensible Behandlung beschwert haben.

     

    Diese Angeber wählen, oder landen dann beruflich dort, wo sie sich richtig wohl fühlen - im Vertrieb. Da ist es egal, was sie verkaufen, für sie zählt Firmenwagen, Flüge in der business-class, ausgezeichnete Hotels. Mancher bringt es allerdings auch nur zu einem Kombi in Sachen Schleifmittel und Bohrwerkzeuge. Aber auch der ist in seiner Heimatkneipe der "King".

     

    So ist das Leben. Unvergesslich war ein Treffen in einem Chemieunternehmen in Genova. Unser italienischer Agent hatte dort einen Besuchstermin vereinbart. Als wir im Empfang warteten, kam die ausgegossene Selbstgefälligkeit entgegen - von der Konkurrenz. Mehrere Minuten monologisierte dieser wohlbeleibte freundliche Herr über seine Erfolge bei verschiedenen Unternehmen. Unser Agent hörte geduldig zu um dann eine Frage nach der Auftragsvergabe eines mir unbekannten Unternehmens zu stellen. Als ob man mit einer Nadel in einen Luftballon stach, der Mann fiel zusammen und fast weinerlich berichtete er über die unerhörten Vergabemethoden dieses Unternehmens.

     

    So sind diese Leute. Gut, wenn man sie nicht ständig ertragen muss.

    • @achterhoeker:

      By the way - fein

       

      Mein Vater03 war auslandserfahrener Großhändler -

      Die Erde ist doch eine Scheibe!¡;)

      • @Lowandorder:

        XDD Pass auf das net runterfliegst X :-D

  • Wenn die Leute, die Kraft&Mühe, die sie aufwenden, Anderen so durchsichtig etwas vor zu machen, darauf verwenden würden sie selbst zu sein.....

    ...

    .. würde die Welt von tollen Menschen wimmeln!

    .

    Gruss

    Sikasuu

  • Genügsamkeit sollte Grenzen haben - &

     

    Vorschlag zur Güte -

    zu 1.Kids - insbesondere die eigenen -

    keinen schwachsinnigen Konkurrenz- &

    Leistungssystemen aussetzen -

    In hartnäckigen Fällen ->

    Transportverweigerung.

     

    zu 2. ja - so sinnse -

    wenn 1. nicht beachtet =

    Selbst serviert¿!

     

    kurz - mein Mitgefühl hält sich sehr

    in Grenzen.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    Tja, das ist nun mal das bedauernswerte Los der Kreaturen einer Ellenbogengesellschaft: wer sich nicht selbst anpreist, wird gnadenlos beiseitegedrängt. Ob man etwas leistet, ist zweitrangig. Hauptsache man stellt sich gut dar. Die drei Junior-Manager müssen nur noch lernen, das nicht ganz so plump zu tun. Dann werden sie auch Erfolg haben. In Ostelbien frug man sich übrigens, warum man in den alten Ländern 13 Jahre für das Abitur braucht. Die nicht ganz ernst gemeinte Antwort war: 1 Jahr Schauspielunterricht.

  • Klasse geschrieben. Der Artikel trifft es in vielen Dingen auf den Punkt.