Kolumne Couchreporter: Ausgerechnet „GZSZ“ glänzt
Lesben, Schwule, Trans- und Bisexuelle sind in deutschen Serien kaum zu sehen – ganz im Gegensatz zum US-amerikanischen Fernsehen.
Kennen Sie die neue Familienserie im Ersten, in der sich alles um eine Regenbogenfamilie mit zwei Müttern dreht? Oder die Krimireihe im ZDF, in deren Mittelpunkt zwei Ermittler stehen, die nicht nur beruflich Partner sind? Nein? Ich auch nicht. Das könnte damit zusammenhängen, dass es diese Serien nicht gibt. Leider.
Wenn es darum geht, wie LGBTQ – also Menschen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender oder queer identifizieren – im deutschen Fernsehen repräsentiert werden, bekommt man häufig zu hören, dass es ja nun in fast jeder Serie schwule und lesbische Figuren gebe und dass das inzwischen doch total normal und unproblematisch sei. Schön wäre es, wenn es denn so wäre. Nur leider stimmt das nicht.
Vor einigen Wochen stellte das amerikanische Onlinemagazin Pride in einem Beitrag 44 lesbische Frauenfiguren aus Serien vor, die aktuell im US-Fernsehen ausgestrahlt werden oder bei Video-on-demand-Anbietern wie Netflix verfügbar sind. Die Bandbreite der Serien reicht dabei von Arztserien wie „Grey’s Anatomy“ über die Familienserie „The Fosters“ bis hin zur Fantasyserie „Supergirl“. Figuren aus Zeichentrickserien, Reality-Sendungen oder Seifenopern wurden dagegen nicht berücksichtigt.
Würde man einen entsprechenden Beitrag mit Figuren erstellen, die regelmäßig in einer deutschsprachigen Serie zu sehen sind, wäre dieser sehr, sehr kurz. Ich zumindest kenne derzeit nur eine Figur, die den Kriterien – lesbische Frau, keine Seifenoper – entspricht: Liz Ritschard, Ermittlerin im Schweizer Tatort.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass im US-Fernsehen mehr Serien laufen als deutschsprachige bei uns, ist das im Vergleich mit der langen Liste, die Pride zusammengestellt hat, ziemlich wenig. Und wenn man bedenkt, dass das Schweizer Team nur zweimal im Jahr ermittelt und Liz seit über zwei Jahren keine Frau mehr geküsst hat, zumindest nicht auf dem Bildschirm, dann ist das noch frustrierender.
Bei den anderen Gruppen aus dem LGBTQ-Spektrum sieht es nicht viel besser aus. Etwas rosiger wird das Bild nur, wenn man Seifenopern berücksichtigt. „Lindenstraße“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ haben in ihren Ensembles aktuell mehrere schwule, lesbische und bisexuelle Figuren und sogar eine Transfrau. Man fragt sich, warum ausgerechnet ein Serienformat, das häufig belächelt wird, in Sachen Vielfalt besser aufgestellt ist als all die Arzt- und Krimiserien, mit denen uns vor allem das Öffentlich-Rechtliche allabendlich „beglückt“.
Es muss ja nicht gleich eine deutsche Version von „The L Word“ sein. Das wäre zwar eine nette Vorstellung, die aber angesichts der aktuellen Situation im deutschen Fernsehen so absurd ist, dass ich selbst darüber lachen muss. Aber mehr als nur eine Handvoll Figuren, das sollte doch machbar sein. Denn Sichtbarkeit ist wichtig. Nicht nur für LGBTQ selbst, die sich repräsentiert sehen möchten, auch in deutschen Serien. Sondern auch, weil sie helfen kann, immer noch bestehende Vorurteile und Homophobie nach und nach abzubauen und auf Dauer mehr Akzeptanz zu erreichen.
Es ist nämlich noch nicht alles total normal und unproblematisch. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Leser*innenkommentare
677 (Profil gelöscht)
Gast
Vielleicht kommt das ja daher, das LGBT außerhalb der lautstarken "Community" keinen interessiert und auf viele "Normalos" eher abstoßend wirkt. Und Abstoßendes wird eben nicht so gern gesendet, man fürchtet um Einschaltquoten.
FraMa
Natürlich kann man die Kriterien auch willkürlich wählen: Seifenopern zählen einfach nicht, Kammerspiele auch nicht und alles was auf Arte läuft ist jetzt einfach mal außen vor. Was wäre denn die Alternative? Den sowieso nicht von Talent überhäuften deutschen Serienautoren noch eine Genderquote aufdrücken?
Wenn Fernsehen die Gesellschaft widerspiegelt, dann müsste laut dem Nachmittagsprogramm 90% der deutschen Bevölkerung aus tätowierten Bodybuildern oder blondierten Tussies bestehen.
mowgli
Gender als Livestyle im TV. Die USA demonstrieren gerade eindrucksvoll, wie weit die Menschheit damit kommt.
Ja, "Sichtbarkeit ist wichtig". Wenn sie jedoch ungelöste Widersprüche deutlich werden lässt, kann sie auch zum Problem werden.
Wäre ich Meinungsführer in einer kapitalistischen Welt, wäre ich jedenfalls sehr vorsichtig mit der Behauptung, Freiheit, Gleichheit und Wohlstand müssten in erster Linie unterhalb des Bauchnabels etabliert werden. "Es ist nämlich noch nicht […] total normal und unproblematisch", gleich viel wert sein zu wollen. Nicht in Gesellschaften, die stolz sein und angeben wollen mit ihren Eliten – und herabsehen auf die, die "es" (Ruhm, Ehre, Geld) nicht geschafft haben und wahrscheinlich auch nie schaffen werden.
Aber wie war das nochmal? Was nicht ist, kann ja noch werden.
Andreas V.
Gerade beim "Tatort" hat sich in letzter Zeit Erfreuliches getan: ein schwuler Komissar in Berlin, ein schwuler Assistent in Köln und eine transsexuelle Nebenfigur in Frankfurt. Aber stimmt schon, das ist zu wenig und zu spät.
Spontan fallen mir, wenn man Seifenopern ausklammert, ansonsten nur noch schwule Figuren in "Dr. Klein" und "Herzensbrecher - Vater von vier Söhnen" ein, beides ZDF.
Es scheint, dass - wenn überhaupt - eher schwule Männer als lesbische Frauen den Weg in deutsche TV-Serien finden.