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Kolumne Chinesische SpracheLost in Translation

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Fehler mit System: Wenn Chinesen ihre Sprache übersetzen, entsteht kein Kauderwelsch, sondern tiefe Weisheit.

I ch will mich bessern. Auch ich war früher einer dieser Spießer, die sprachliche Ungereimtheiten in Speisekarten suchten, und viele fand ich bei Lektüren in chinesischen Restaurants. Doch seit wenigen Tagen bin ich zu Gast in China. Hierzulande könnte es unvorteilhaft sein, wenn man einem 1,3-Milliarden-Volk erzählt, wie es gefälligst mit Fremdsprachen umgehen soll. Und nun erkenne ich die Weisheit und den Humor hinter den Fehlern.

Bild: taz

Matthias Lohre, Redakteur im taz-Parlamentsbüro in Berlin, ist derzeit in China.

Manches lässt sich zwar nur mit einer sympathischen Gleichgültigkeit erklären. Jedenfalls bezweifle ich, dass diese ältere, korpulente Dame wusste, was sie tat, als sie gestern mit einem T-Shirt das Haus verließ, auf dem groß "Sex Instructor" stand.

Aber bestimmt verfügen die Chinesen über mehr Wortwitz, als ihnen die meisten Westler zutrauen. Ein offiziell kommunistisches Land, in dem Schwule umgangssprachlich als "Genossen" bezeichnet werden, muss einfach Humor haben. Vielleicht ist es deshalb auch kein Schreibfehler, sondern eine kaum verhüllte Einladung zur Massage der ganz anderen Art, wenn die Neonreklame eines Geschäfts verspricht, dort gebe es "Hair Beauty Reflexologym Assage".

Gestern passierte ich ein kleines Restaurant nahe der Verbotenen Stadt. Seine Betreiber locken, wie so viele Hauptstädter, ausländische Besucher mit Englisch. Ihre Gaststätte heißt "Beijing Goodhappy Auto Club". Das ist ganz logisch. Die geschäftstüchtigen Betreiber halten es wie Google. Sie sammeln Begriffe und listen sie nach Beliebtheitsgrad. So erkläre ich mir auch, warum das Blumengeschäft um die Ecke damit wirbt, seine Erzeugnisse seien "Clown fresh".

Diese Methode klappt nicht immer. Beispielsweise verstehe ich bislang nicht, was eine Porzellanfirma mir sagen will mit dem Werbespruch "Fine Bome China Momopoly". Außer ihrer Zuneigung zum Buchstaben M. Die lange Nase darüber zu rümpfen, ist nicht mein Ding. Hat nicht selbst das globale Stilvorbild Madonna sich ein Tattoo machen lassen, das Sinnsprüche ihrer Modereligion wiedergeben soll, leider aber nur Kauderwelsch bedeutet? Ist es da nicht klüger, man lässt sich "Zartes Pormellan China Momopoly" auf eine Neon-Reklame schreiben statt auf den eigenen Steiß?

Am meisten lerne ich aber bei der Lektüre von Speisekarten. Ein Restaurant hat "Spicy Beef Phallus" im Angebot. Zu meiner Enttäuschung erwies sich der versprochene Rindfleisch-Penis als eingelegte Zwiebelscheiben. Immerhin waren sie ansprechend dargereicht - auf einem Spieß. Die alte Frage, ob Freuds Theorien auch auf Menschen anderer Kulturkreise anwendbar sind, ist hiermit beantwortet.

Es gibt vereinzelt Gerichte, die Männern keine Kastrationsängste versetzen. Manche Titel verheißen sogar, als Beschreibung der Zubereitung getarnt, alles, was Männer wollen: Mystik, Action und Fleisch. Meine neue offizielle Lieblingsspeise trägt den schönen Namen "The Temple Explodes The Chicken Cube".

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.

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