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Kolumne BlagenGedanken zu zweitklassigen Männern

Anja Maier
Kolumne
von Anja Maier

Nur ganz leise, meinem Status angemessen, habe ich "Wahnsinn!" gemurmelt, als ich die Bilder vom Kairoer Tahrir-Platz sah.

I st es Zeit, zu gehen? Ich meine, das muss doch wirklich nicht sein: an so einer lausigen Kolumne kleben. Taub gegen jede Kritik, blind für das Offensichtliche. Leuten wie mir, die nicht merken, dass ihre Zeit abgelaufen ist, denen sollte man mal die Ohren ausputzen, dann lang ziehen und ihnen anschließend die Wahrheit hineinbrüllen. Dann erst hat unsereins verstanden.

In diesem Sinne an dieser Stelle ein Dank an jenen Leser, der mir nach meiner letzten Kolumne schrieb, dass ja "inzwischen jedeR mitbekommen hat", dass ich "ex-bewohnerin des arbeiter- und bauernstaates" sei, und dass ich mir meinen "ideologischen hass auf kapitalistenschweine und ihre brut" mal sonst wo hinstecken könne. Was der freundliche Leser damit meint? Nun, es ging um das Thema Austernverzehr bei Achtjährigen. Fürwahr, mich dazu zu äußern habe ich bei meiner tatsächlich so was von zweitklassigen Herkunft kein Recht. Wir hatten ja bekanntlich nichts. Nicht mal Austern. Danke also für diesen Hinweis.

Aus Gründen der Zweitklassigkeit werde ich es auch weiter still ertragen, von erstklassigen Zeitgenossen weiter Angie genannt zu werden. (Sie verstehen? Angie wie die Templiner Kanzlerin - Spitzenwitz!) Und ich werde nicht widersprechen, wenn in der Quotendiskussion die Vollbeschäftigung der Ostfrauen als zu vernachlässigendes Argument für gleichberechtigte Lebensentwürfe weggebissen wird - wo kämen wir hin, wenn fünf Millionen Frauen zweitklassiger Herkunft für irgendeine politische Idee stünden. So gehts wirklich nicht. Auch in dieser Hinsicht also noch mal: Danke.

Ich hatte ja fast vergessen, dass es vor, sagen wir, 15 bis 20 Jahren ein Ausweis besonderer historischer Lebenserfahrung war, aus dem Osten zu kommen. Wie geil das damals war, zu erleben, dass ein paar alte Männer von meinen zweitklassigen Landsleuten einfach rausgeworfen wurden. Und wie obergeil, als sie dann tatsächlich ihre Plätze räumten und die größte DDR der Welt den "kapitalistenschweinen" (Leser) überlassen mussten.

Bild: privat

ANJA MAIER ist Redakteurin der sonntaz.

Nur ganz leise, meinem Status angemessen, habe ich deshalb "Wahnsinn!" gemurmelt, als ich Donnerstagnacht die Bilder vom Kairoer Tahrir-Platz sah: Menschen, die sich bei sechs Grad Celsius nicht nach Hause schicken ließen. Die nicht wussten, ob der alte Präsident den Abgang macht oder ob in der nächsten Minute Panzer anrollen. Ein sehr schöner, bewegender Moment. Da lass ich nix drauf kommen.

"Wahnsinn" - das war auch das Wort des Herbstes 89. Nicht "Helmut", nicht "Beate Uhse". Und "Angie" schon mal gar nicht. Das Bild der Menge, wie sie zusammensteht und sich keinen Scheiß mehr erzählen lassen will. Menschen, die Angst haben, aber so viele sind, dass sich das Risiko, verletzt zu werden, durch Tausende teilt. Das war groß. Und das war einen Hauch der Geschichte lang auch in Kairo so.

Als der alte Mann Donnerstagnacht noch ein bisschen zappelte, wusste ich, dass das nicht sein letztes Wort sein würde. So was hatte ich selbst mal erlebt, damals hieß er Erich, diesmal Husni. Fünf Buchstaben - die Namen zweitklassiger Männer. Die einfach nicht hören wollten. Und dann fühlen mussten.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

8 Kommentare

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  • TA
    Team Anja

    Aufhören? Bloß nicht! Endlich gibt es jemanden, der mir aus der Seele spricht. Jemand, der meine Sorgen und Nöte kennt, ja sogar teilt und der so pointiert darüber schreiben kann, dass die erwachsene Hälfte meiner Familie beim Lesen regelmäßig den Kaffee verschüttet vor Lachen. Ach, geteiltes Leid ist halbes Leid - nirgends wird das deutlicher als bei der Erleichterung, die ich verspüre, wenn andere "Pubertisten" auch nicht einfacher sind als meine eigenen!

    Und wer ausgerechnet hier, in dieser so ausgesprochen treffenden Kolumne Kapitalstenschweine-Kritik zwischen den Zeilen herauslesen will, der hatte vermutlich noch nie im Leben etwas mit Blagen (gleich welchen Alters) zu tun und ist obendrein noch völlig humorfrei. Schade, eigentlich.

    Und für alle, die sich hier intellektuell unterfordert fühlen: Lest doch seitenlange Leitartikel oder abonniert die Merkblätter zu politischer Bildung. gründet Diskussionsgruppen, in denen die Unterschiede zwischen DDR und Ägypten aufgedröselt werden und lasst die schnöden Kolumnen für die einfachen Gemüter wie mich, die sich so schön daran freuen können!

  • P
    pannetone

    @ ???:

    Sie sehen aber schon, dass es einen Unterschied zwischen kritisiert werden und angepöbelt werden gibt, oder? Ich würde mir so was jedenfalls auch nicht unkommentiert gefallen lassen.

    @ zurSache:

    Zur Sache bitte: Wo genau verorten Sie in Frau Maiers Kolumne jammern und Selbstmitleid?

  • ???

    Was hat das ganze jetzt mit "Blagen" zu tun?

     

    Kritik unerwünscht? Wer Wind sät wird Sturm ernten. Die Autorin schenkt doch anderen auch kräfig ein.

    Humor ist wenn man bzw. frau trotzdem lacht. Frau Maier nimmt sich aber leider sehr, sehr ernst. Die Objekte ihrer Anschauungen dagegen kein bisschen. Geht's nicht etwas entspannter?

  • Z
    zurSache

    wer austeilt sollte auch einstecken können. leider nicht die stärke von anja maier. nur jammern und sein selbstmitleid demonstrieren ist für meinen geschmack inhaltlich recht mager für eine taz-kolumne.

     

    ägypten hatte keinen großen bruderstaat, der's vorgemacht hat (und damit quasi die erlaubnis zur revolte gegeben hat). ausgerechnet das kleine tunesien hatte vorreiterfunktion. es gibt noch mehr eklatante unterschiede, die einen vergleich mit dem untergang der ddr als an den haaren herbei gezogen erscheinen lassen. aber fakten sind ja eh nicht so wichtig, nicht wahr? auf's gefühl kommt es an.

     

    zu den "ostfrauen": sehr anschaulich, aus eigener erfahrung, nüchtern, schnörkellos mit klarem blick hat Irene Böhme die strukturelle einbindung der frauen ins realsoz. system der ddr knapp beschrieben; in:

    "Die da drüben. Sieben Kapitel DDR."

    empfehlenswert, wenn frau keinen bock auf fachwissenschaftliche literatur hat bzw. eine tiefere auseinandersetzung zur rolle der frau in der ddr scheut.

  • A
    Alekto

    Toller Kommentar!

  • V
    vic

    Sehr schön formuliert, Anja Maier.

    Sie werden sich doch nicht von erstklassigen Idioten wie besagtem Schmierfinken beeindrucken lassen?

  • W
    Werner

    Bitte bitte Anja, geh nicht!

    Ich bin ein erstklassiger Mann, habe einen ideologischen Hass auf Kapitalistenschweine und hoffe, dass du uns noch lange erhalten bleibst.

  • QS
    Question Sign

    Merkwürdiger Beitrag.

     

    Ich verstehe nicht ganz, was die Autorin meint.

    Hat Sie verstanden?

    Dürfen wir hoffen oder bangen?

    Lässt sie's jetzt? Schreibt sie keine Kolumnen mehr für die taz?

     

    Oder wollte sie nur auf "satirische" Art und Weise loswerden, wie beschissen sie Kommentator_innen findet, die sie kritisieren (ja, ich sehe es ein, oft genug herabwürdigend, despektierlich und unangemessen)?

     

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