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Kolumne Bitches in Baku #1Prestigeprojekte allüberall

Baku ist gerüstet für den Eurovision Songcontest. Aus den Sümpfen wurde eine Halle gestampft, die LED-Lämpchen glühen und die Skyline mutet dubaiesk an.

E s schmeckt ein wenig nach Tankstelle. Nach Parkhaus. Wenn es weht – und das tut es oft -, liegt ein Hauch von Petrolischem in der Luft.

Das ist natürlich kein Wunder, Baku ist eine Art Klondike (einer der größten Goldräusche der Geschichte, Anm. d. Red.) des ölproduzierenden Gewerbes am Rande Europas. Hier wird der Treibstoff der Welt aus dem Erdreich unter dem Boden des Kaspischen Meeres geborgen, und in Baku selbst sieht man den nachsowjetischen Reichtum in Form einer dubaiesk anmutenden Skyline. Drei Hochhäuser, architektonisch wie in den Himmel lodernde Flammen realisiert, ragen empor und werden nachts mit einem Gewitter an LED-Lämpchen illuminiert.

Man erkennt: Es ist Eurovision Song Contest in der Stadt! Was jetzt nicht fertig ist, soll kein Provisorium bleiben. Bis in die frühen Morgenstunden werkeln Tausende von Arbeitern an nachgerade allem, was Baku noch schöner, noch moderner, noch mehr erkennen lässt als Metropole mit Geld.

Bild: Archiv
Jan Feddersen

taz-Redakteur, Jahrgang 1957, schreibt als Journalist und Buchautor („Wunder gibt es immer wieder“) über den ESC seit 1989. Er bloggt auch auf eurovision.de für die ARD.

Ein Experte, der seit neun Monaten mit der Planung des ESC betraut ist, eigens als Logistiker aus Deutschland angeheuert, zeigt mit seiner Hand von der Crystal Hall auf die Häuserlinie am Ufer des Kaspischen Meeres: „Die Platten, die Ankunftshalle, die gepflasterten Straßen, die Marina vor der Halle – vor einem Jahr war das alles noch Militärgelände, sumpfig, dreckig, verloddert, frei, um Neues zu gestalten. Das ist der Charme von politisch straffen Zügeln wie in Aserbaidschan: Hier beschließt man, mit vollen Konten im Hintergrund und dem Öl, das nie versiegen wird, dass hier, an dieser Stelle, ein Eurovision Song Contest stattfinden kann.”

Nachdem das Jungmann/Frau-Duo Ell/Nikki in Düsseldorf den Wettbewerb im Mai 2011 gewonnen hatte, hieß es: Na, die Azeris haben ja nicht einmal eine Halle, keine Verkehrsinfrastruktur, die ein solches Event bewältigen könnte, auch auf Gäste, die Freisinn und einen gewissen Modus von Schwuppigkeit in die Stadt tragen könnten, sei man nicht eingerichtet. Nun, offenbar doch.

In Deutschland, sagt der Experte weiter, sei eine Halle in dieser kurzen Zeit nicht aus den Sümpfen zu realisieren möglich. Bebauungspläne, Kommunalausschüsse, Ausgleichsvorschläge für Menschen, die der Neubauten wegen umziehen, Ökozuschläge: Nein, das gibt jeder hier in Baku zu, dieser drakonische Wille, dem televisionären Europa zu zeigen, was diese reiche Republik am Saum des Morgenlandes so kann, funktioniert nur in Verhältnissen, die auf feintarierte Balancen im Politischen eher wenig Rücksicht nehmen müssen.

Die Proben gehen derweil weiter. In der Halle selbst muss manche Panne beklagt werden. Mal fällt der Ton aus, dann wieder funktionieren Lichteraccessoires der Künstler nicht. Fotografieren war bis vorgestern verboten, selbst kleinste Strecken auf Straßen, die gleich geteert werden, könnten so sehr nach Befehl und bar allen Glanzes aussehen, dass man lieber, mit Hilfe von Ordnungskräften, darauf drängt, nichts abgebildet zu sehen. Schade, gerade dieses Unfertige hat die Anmut von frischer Energie und Weltbehauptung.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Jan Feddersen
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Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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1 Kommentar

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  • H
    hto

    Na, wieviel "Prestige" bringt dir dein Teil zur Überproduktion von konfusionierendem KOMMUNIKATIONSMÜLL - du willst doch wohl nicht behaupten es stecke Sinn, Verstand oder sonstwas für wahrhaftige und unkorrumpierbare Vernunft dahinter???