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Kolumne BesserAspirin, Vitamin, Kokain – und Gauck

Gauck sprach in Rostock mal wieder über sein Lieblingsthema: sich selbst. Und Lance Armstrong sollen alle Tourtitel aberkannt werden. Ein Stück über Heuchelei.

Gauck will sich gefragt haben, warum die Staatsmacht damals nicht eingriff. Bleibt die Frage: Wann hat er sich das gefragt? Bild: dpa

D er eitle Zonenpfaffe Joachim Gauck, der es dank der Schnapsidee eines früheren Mitglieds des Kommunistischen Bundes – na gut, sagen wir: dank einer glücklichen Fügung – zum Bundespräsidenten geschafft hat, redet vor dem Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen, kann es aber nicht unterlassen, wieder über sein Lieblingsthema zu sprechen: über sich.

Dem veröffentlichten Manuskript zufolge sagt er bei seiner Rede zum 20. Jahrestags des Rostocker Pogroms 22mal das Wort „ich“. Das klingt dann beispielsweise so: „Wo blieb die Staatsmacht, fragte ich mich. Wo blieben ausreichende Polizeikräfte, die imstande gewesen wären, die Gewalttäter festzunehmen, die aggressive Menge zu zerstreuen und Menschenleben zu schützen?“

Wer sich an die Zeit erinnert, wird zurückfragen: Wann hat er sich das gefragt? Und: Wo? Ein öffentlicher Satz des gebürtigen Rostockers, der in jenen Jahren vom Menschen zur Behörde mutierte und für sich die Rolle des DDR-Chefinterpreten reklamierte, zum täglichen Ausländerklatschen in der Zone ist nicht überliefert.

Bild: taz
Deniz Yücel

ist Redakteur bei taz.de.

Seine Rede vom Sonntag wird er nicht selbst geschrieben haben. Und doch gibt es einige Stellen, bei denen sich der Verdacht aufdrängt, als hätte Gauck da selbst letzte Hand angelegt. Hier etwa: „Es erzürnt mich […], dass Anwohner den Mob anfeuerten, die Gewalttäter vor der Polizei schützten und klammheimliche Freude darüber empfanden, dass es ’den Ausländern mal so richtig gezeigt wird‘ – dabei handelte es sich um Menschen, die selber Opfer unguter Umstände waren.“

Selten war diese, aus dem Brief des Göttinger „Mescalero“ stammende und längst zur Phrase geronnene Formulierung so dämlich platziert. Denn dem Rostocker Pack kann man vieles vorhalten, aber gewiss nicht, nur „klammheimlich“ Freude empfunden zu haben.

Aber Gauck hält dieses Leute ja heute noch für Opfer, womit er unfreiwillig seine Frage beantwortet, warum die Staatsmacht seinerzeit nicht eingriff: weil es ein politisches Interesse gab, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken und dafür die noch zögernde sozialdemokratische Partei weichgekocht werden musste, was bald danach auch gelang. Deshalb war man im August 1992 nur zu gern bereit, für das mordlüsterne Pack jede Menge Verständnis aufzubringen und darin „Opfer unguter Umstände“ zu erkennen – Opfer der „Überfremdung“, Opfer der DDR, Opfer der Arbeitslosigkeit.

Gaucks Rede war die wohl verlogenste zur Sache seit dem Auftritt des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers Richard von Weizsäcker im November 1992 in Berlin.

Und jetzt zu Armstrog

Anderes Thema: Der siebenfache Toursieger Lance Armstrong soll wegen Dopings seine Titel abgeben. Fragt sich bloß: An wen? Und: Warum? Hochleistungssport ist nämlich weder gesund noch natürlich, sondern die Dressur des menschlichen Körpers zu Leistungen, zu denen er sonst nicht imstande wäre. Dafür braucht es Maßnahmen und Medikamente, von denen einer willkürlichen (und wechselnden) Definition zufolge manche erlaubt sind und andere nicht.

Im Wunsch nach einem „sauberen Sport“ steckt, so schrieb Martin Krauß einmal, „die Vorstellung, der menschliche Körper sei von Natur aus schön, kräftig und leistungsstark und dürfe nicht durch üble gesellschaftliche Einflüsse beeinflusst, gar verändert werden“.

Dabei gehört es zum Wesen der bürgerlichen Gesellschaft, Menschen zu unnatürlichen Dingen zu trimmen. Nirgends wird das offensichtlich wie im Leistungssport. Und gerade deshalb soll der Sport als unverfälscht erscheinen, wo der Alltag alles andere als drogenfrei ist: Betablocker und Prozac, mit denen man sich fit für den Beruf macht, Bier, Viagra und Kokain, die das Vergnügen vergnüglicher machen, Nikotin, Vitamin und Aspirin für Zwischendurch.

Das ist nicht immer schlimm. Es gehört zu den Vorzügen der bürgerlichen Gesellschaft, die Zwänge der ersten Natur eingeschränkt zu haben. Aber welche Stimulanzien als zulässig gelten und welche nicht, wird von Zufall bestimmt. Nur zugeben will man das nicht.

Besser: Gauck hält die Klappe. Und Armstrong bleibt Toursieger.

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Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
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29 Kommentare

 / 
  • D
    dopeshow

    ich hätte mir von dem artikel über "hochleistungssport trifft auf bürgerliche heuchelei", ein bisschen mehr tiefe erwartet und ein eingehen auf das was gesellschaftlich konstruiert ist und was tatsächlich an natürlichkeit bleibt, wenn man all die konstrukte entfernt. auch ein eingehen darauf, dass leistungssport ein spiegelbild der sich künstlich stetig zur leistung steigernden gesamtgesellschaft ist und nur logische konsequens und verbote auch für die menschen in der freien wirtschaft gefordert werden müsste, kaffee zu trinken, da dass ja wettbewerbsverzerrend ist. ^^

     

    da fällt mir der film trainspotting wieder ein: "[..] auf ihre bürgerlich und gesellschaftich geduldete art und weise, war sie selber drogenabhängig." - und das gilt wohl für all die ach so natürlichen menschen da draußen.

  • W
    Weltbürger

    @Falmine:es ist typsich deutsch. Keine andere Meinung erduldet ausser seine eigene und noch schlimmer ist es, das nennen Sie Meinungsfreiheit. Deshalb ist es nicht ernst zu nehmen.

     

    Deniz: es ist ein genuß dein Artikel zu lesen, wir brauchen dich. Ohne die Leute wie du wären das Leben so langweilig wie die Deutschen selbe.

  • F
    Falmine

    @ Schroedingers zitiert missgelaunt:

    "Der eitle Zonenpfaffe Joachim Gauck...",

    um dann selbst ordentlich auszuteilen:

    >>halt einfach die Klappe Yuecel - DEIN Schreibstil braucht hier kein Mensch - die taz schon gar nicht

  • BB
    Banzai Bonsai

    Subtil köstlicher Beitrag, danke Deniz Yücel.

     

    Gauck ist Nebensache, nur ein fremdgesteuertes Propaganda Plappermodell, kurz PP.

    Er hat den besten, klassischen Ghostwriter den es gibt. Höher, weiter, stärker und vor allem schneller als alle anderen, sind seit hunderten Jahren ein deutsches Markenzeichen.

     

    Zur Unterstreichung wurde eine echte Deutsche Eiche als Sinnbild der Versöhnung vor dem Sonnenblumenhaus gepflanzt.

    Aus einer Eiche fällt einiges, in alle möglichen Richtungen.

    Vor allem in die Heraldik und ihre Wappen fällt die beschnittene deutsche Eiche mit Eicheln.

    Einmal genau auf die heraldistische Darstellung der Eichel achten.

    Man möchte meinen, Miraculix wäre für die Wappenfürsten am Werkeln gewesen. Woher diese einen Löwen haben ist bis heute unbekannt. Löwe und abgeschnittene Eichel.. welche Weltreichstäume hatten die Träger?

    Der Gauckler und seine Gilde über Österreich, Ungarn etc. sollte die japanische Kunst namens Bonsai genauer betrachten. Gutes muss nicht immer groß. größer sein.

     

    BP Gauck ist für mich nur ein Symbol vergangener Zeiten. Kontakte womöglich zur polnischen u.a. Kurie.

     

    Und nun muss ich auch baum eingeben :-)

  • ID
    Ich du er sie es ...

    Ein echter Yüksel, leider viel zu selten. Fast das Schönste an seiner Kolummne sind die Kommentare -- (fast) besser als Kino.

     

    Weiter so!

  • K
    Krankenwärter

    @ von Ein Freund von Yücel

    Herzlichen Glückwunsch zu ihren Meisterleistungen in deutscher Rechtschreibung!

  • HR
    HP Remmler

    Bin so langsam echt gespannt, wie lange sich die taz die eklige Zotenpfeife D.Y. noch leistet - deren Gehalt ich als Abonnent zu meiner wachsenden Zerknirschung auch noch mitbezahle.

  • EF
    Ein Freund von Yücel

    @Krankenwärter:schau doch mal dich an,in welcher geistiger Zustand du bist. Du bist noch nicht mal in der Lage den Name "yücel" 3 Zeile unten richtig zu schreiben. In TAZ kannst du aber herumfaseln sowie Joba. Lern ihr erst mal deutsch.

  • H
    Herakles

    Das Verbot von Doping ist philhellener Schwachsinn, im Altertum waren alle gedopt.

  • S
    susweistnichtsuswe

    Den Kiffer-Kommentar habe ich nicht geschrieben. Ich bin suswe und leider, leider, leider hat Yücel recht.

  • K
    Krankenwärter

    Ein echter Yücel! Interessant ist, das unser Pseudokrawalltürke nun schon Ermüdungserscheinungen zeigt, was das Gauckbashing betrifft.

     

    Lieber Yücsel, sie regen mich aber nun nicht mehr auf, sondern kommen in den Bereich Sicherungsverwahrung. Da können sie weiter herumfaseln und richten keinen Schaden an.

  • I
    ion

    @ suswe (28.08.2012 08:59) i.V.m. (28.08.2012 13:57),

     

    Was denn nun ‽ Mittags gekifft ?

     

    @ leotse (28.08.2012 10:24 Uhr),

     

    "Deniz Yücel hat soeben den "Zwei in Einem" Kommentar erfunden, herzlichen Glückwunsch."

     

    "Besser", als zu einer Nachricht, Meldung zwei bis drei Artikelchen von ca. 1 bis 5 taz-Autoren klittern zu lassen – wie es inzwischen viel zu häufig in der taz vorkommt.

     

    Aber auch das ("Zwei in Einem") ändert natürlich nix daran, dass der Yücel-Stoff wieder mal nur reflexhafter Reflux ist.

  • T
    tommy

    "Der siebenfache Toursieger Lance Armstrong muss wegen Dopings seine Titel abgeben. Fragt sich bloß: An wen?"

     

    An Jan Ullrich natürlich - Erfolg für Deutschland!!! Ärgert Yücel zwar vielleicht (zumal Ullrich ein "Zonie" ist - und dann auch noch aus Rostock; hoffen wir mal, dass er nicht bei Lichtenhagen dabei war), aber nur das wäre korrekt! Es kann ja wohl nicht angehen, dass Deutschland von seelenlosen US-Dopern um Titel betrogen wird.

  • J
    julle

    dass immer über den autor gesprochen wird hier..und das so vielfältig einfältig. in der dopingsache liegt er jedenfalls vollkommen richtig und armstrongs titel auf ulle zu übertragen ist doch echt quatsch, er war schließlich nie auf dem mond.

  • DK
    D. Klüver

    Langweilig, weil ansatzloses Geblubbere.

     

    So schöne Themen so in den Dreck geworfen.

    1.Wer schreibt die Reden nun ?

    2.Was ist verlogen in Reden deutscher Staatsoberhäupter ?

    3. Warum reichte das Thema nur für einen halben Kommentar ?

  • MA
    monsiuer Achie

    Hallo Deniz, wie immer wünderschöner Beitrag. macht so weiter.

  • DD
    Der Duderich

    @leotse: "Deniz Yücel hat soeben den "Zwei in Einem" Kommentar erfunden, herzlichen Glückwunsch."

     

    Nee, hat er nicht. Ich hab's erfunden:

     

    http://aufzeichnungen-eines-gutmenschen.blogspot.de/2012/08/von-farblingen-und-kleinstpackungen.html

     

    ;-)

  • O
    Oral-B

    Wenn ich in der taz einen Artikel vom Jücksel finde, klick ich den immer gleich weg - es sei denn, da steht "Gauck" drüber.

     

    Schön, Yüxla, wie Du da immer ins Schwarze triffst - weiter so! Mein Vorschlag: Du bleibst dabei und schreibst über nichts anderes mehr. Deal?

  • S
    suswe

    Typischer KIFFER-Kommentar!

    Und kiffen macht dumm... man siehts.

  • RB
    Robin B.

    Herr Yücel,

     

    was hat der Gauck Ihnen eigentlich getan, dass Sie bei jeder sich bietenden (oder nicht-bietenden) Gelegenheit so eine Hasstirade auf ih los lassen?

  • M
    matz

    Ein unterhaltsamer Kommentar; fast wie immer.

     

    Die Beiträge erinnern mich meistens immer irgendwie an Karl Eduard und seinen schwarzen Kanal. Das durften wir manchmal im Staatsbürgerkundeunterricht oder im Polit-Unterricht bei der NVA schauen.

     

    Gäbs heute TAZ-TV, wäre dass wohl das Gegenstück. Schön, dass es so was noch gibt.

  • S
    Schroedingers

    "Der eitle Zonenpfaffe Joachim Gauck..."

     

    halt einfach die Klappe Yuecel - DEIN Schreibstil braucht hier kein Mensch - die taz schon gar nicht

  • I
    ishaltso

    @suswe

     

    Nee, hatter nich.

  • R
    reblek

    !... weil es ein politisches Interesse gab, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken und dafür die noch zögernde sozialdemokratische Partei weichgekocht werden musste..." - Das ist ein Missverständnis, denn der erste Bundespolitiker, der die Abschaffung des Asylrechts gefordert hat, war Lafontanie.

    "Anderes Thema: Der siebenfache Toursieger Lance Armstrong muss wegen Dopings seine Titel abgeben." - Na, noch steht das nicht fest, sondern wird von der USADA gefordert, oder?

    "Denn Hochleistungssport ist nämlich..." - "Denn nämlich!?

    "... wo der der Alltag alles andere als drogenfrei ist..." - Nichts gegen Behinderte, aber da stottert jemand: "der der".

  • L
    leotse

    Deniz Yücel hat soeben den "Zwei in Einem" Kommentar erfunden, herzlichen Glückwunsch.

  • A
    ama.dablam

    vorhersehbar hasserfüllt...

  • G
    gosunen

    guter kommentar!

  • J
    Joba

    Zum Glück gibt es in der taz auch nüchtern-sachliche Kritik an Gauks Äußerungen. Herrn Yücels Suada voller Schaum vorm Mund ist m.E. jedoch nicht besser als der Rassismus der Rostocker Dumpfbacken. Woher dieser Hass, der Beifall heischt und bei manchen wohl auch findet? Warum soll eine so verächtliche Einstellung gegenüber Menschen, deren politische und religiöse Haltung man nicht teilt, legitimer sein als Ressentiments wegen ethnischer Herkunft?

  • S
    suswe

    Leider hat Herr Yücel Recht.