Kolumne Barbaren in Beijing: Deutsche Überwachungsgiganten
Es ist viel vom chinesischen Sicherheitswahn die Rede. Doch nirgends geht man so gründlich vor wie im Deutschen Haus.
Er ist nicht nett. Er ist keiner dieser drolligen Helferlein, die uns Journalisten allüberall zuwinken und ihre Hilfe anbieten, auch wenn wir gerade einmal keine brauchen. Er ist ein Bulle und er ist der erste, der in diesen Tagen, in denen ich dauernd durch irgendwelche Sicherheitsschleusen geschickt werde, ganz genau wissen will, was alles in meinem Rucksack ist. Sogar die Sonnenbrille, die jeder Pressevertreter vom Organisationsteam geschenkt bekommen hat, muss ich aus dem Etui holen. Hält er mich für gefährlich? Oder wundert er sich nur, dass ich eine Sonnenbrille eingesteckt habe, obwohl offensichtlich keine Gefahr besteht, dass es die Sonne durch den Pekinger Nebelsmog schafft?
Das erste Mal bin ich genervt von der Kontrolliererei rund um das Olympiagelände. Dass beinahe überall, wohin man schaut, ein Uniformierter strammsteht, der schaut, dass ja nichts passiert, daran hatte ich mich schnell gewöhnt. Bisweilen tun sie mir richtig leid, die Wachmänner. Denn es gibt welche, die müssen den ganzen Tag lang vor einem Zaun stehen und durch diesen hindurchschauen, aufpassen, dass vor der drei Meter hinter dem Zaun aufsteigenden Betonwand nichts passiert. Ein armer Kerl.
Andreas Rüttenauer ist Redakteur bei taz-Leibesübungen.
Besonders besorgt um die Sicherheit ist man jedoch ganz woanders. Ins sogenannte Deutsche Haus, wo sich des Abends Sponsoren, Sportler, Funktionäre und Journalisten zum ungezwungenen Plausch treffen können, darf nur, wer seinen Fingerabdruck hinterlässt. Haben die Chinesen in ihrem Überwachungswahn den Deutschen vorgeschrieben, von den Journalisten Fingerabdrücke zu nehmen? Nein. Auf die Idee sind die Deutschen selbst gekommen. Ein Sponsor des Deutschen Hauses ist die Bundesdruckerei, und die will zeigen, was sie kann, heißt es.
Plötzlich fühle ich mich unsicher in der Stadt, besonders auf dem Olympiagelände. Da wird am Einlass tatsächlich mein Gesicht noch mit dem Foto auf dem Akkreditierungsausweis verglichen. Eine arg mittelalterliche Methode. Mich zieht es ins Deutsche Haus. Ich lasse meinen Fingerabdruck scannen und speichern. Die werden das dann schon löschen, denke ich mir. Wir Deutsche sind ja Demokraten. Jetzt bin ich drin. Und fühle mich endlich sicher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!