Kolumne B-Note: Hooligans im Kinderzimmer
Die schlimmsten Hooligans? Sind nicht in Polen, England oder der Ukraine. Sondern in Kinderzimmern.
M anche vermuten sie dieser Tage überwiegend in Polen, andere sagen: „Nein, Ukraine!“ Weitere benennen England oder Serbien als ihre Hochburgen. Das alles ist falsch. Die schlimmsten Hooligans leben in Kinderzimmern.
Lange vor dem Spiel geht es schon los: Unschuldige Möbelstücke wie Sofas, Teppiche und Stühle fallen unfassbarer Brutalhampelei zum Opfer. Umstehende Personen müssen sich anrempeln, gar anspringen lassen – nicht einmal vor Müttern und Vätern macht der nervöse, sich gegenseitig aufschaukelnde Mob halt. Unzusammenhängende Laute und seltsame Geräusche dringen durch alle Räume: „Neuuueeerrr!!!“, „Ui, ui, Podolski!, „Argh!“, „Urgh!“
Die nächste hässliche Szene folgt unmittelbar vor dem Spiel. Auf dem Klo wird bei offener Tür die Nationalhymne mitgeschmettert. Der Fernsehkommentator dringt nicht mehr durch, zweikehlig niedergeschrieen von besserwisserischen Minibundestrainern. Ließe man sie walten, beschmierten Narrenhände in Nationalfarben nicht nur sich, sondern auch Tisch und Wände.
ist Chef vom Dienst bei taz.de. Auf Twitter: @maiksoehler.
Das Spiel läuft, man hockt beieinander, Arme und Beine kommen sich in die Quere, auch Füße und Nasen, es wird mit Socken gewedelt. Zum Glück hört Robben nicht zu, wenn die Nachbarschaft über seine Physiognomie knallhart informiert wird: „Der Glatzkopf!“ Ein Tor fällt, Schreie wie bei einem Terrorangriff. Gegenstände werden behüpft, von denen man dachte, sie seien unbehüpfbar.
In der Pause kommt es zum Äußersten: Der Hool prollt erst rum und schläft dann ein; zu viel Limo? Die Hoolin geht in sich und schreibt einen Brief an Lukas Podolski. Das ist es, was diese Hooligans zu den schlimmsten macht. Mit Härte ist ihnen nicht beizukommen, ihre Methoden sind so variabel wie perfide. Voller Angst warten wir auf das nächste Spiel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen