Kolumne B-Note: Hooligans im Kinderzimmer

Die schlimmsten Hooligans? Sind nicht in Polen, England oder der Ukraine. Sondern in Kinderzimmern.

Manche vermuten sie dieser Tage überwiegend in Polen, andere sagen: „Nein, Ukraine!“ Weitere benennen England oder Serbien als ihre Hochburgen. Das alles ist falsch. Die schlimmsten Hooligans leben in Kinderzimmern.

Lange vor dem Spiel geht es schon los: Unschuldige Möbelstücke wie Sofas, Teppiche und Stühle fallen unfassbarer Brutalhampelei zum Opfer. Umstehende Personen müssen sich anrempeln, gar anspringen lassen – nicht einmal vor Müttern und Vätern macht der nervöse, sich gegenseitig aufschaukelnde Mob halt. Unzusammenhängende Laute und seltsame Geräusche dringen durch alle Räume: „Neuuueeerrr!!!“, „Ui, ui, Podolski!, „Argh!“, „Urgh!“

Die nächste hässliche Szene folgt unmittelbar vor dem Spiel. Auf dem Klo wird bei offener Tür die Nationalhymne mitgeschmettert. Der Fernsehkommentator dringt nicht mehr durch, zweikehlig niedergeschrieen von besserwisserischen Minibundestrainern. Ließe man sie walten, beschmierten Narrenhände in Nationalfarben nicht nur sich, sondern auch Tisch und Wände.

Das Spiel läuft, man hockt beieinander, Arme und Beine kommen sich in die Quere, auch Füße und Nasen, es wird mit Socken gewedelt. Zum Glück hört Robben nicht zu, wenn die Nachbarschaft über seine Physiognomie knallhart informiert wird: „Der Glatzkopf!“ Ein Tor fällt, Schreie wie bei einem Terrorangriff. Gegenstände werden behüpft, von denen man dachte, sie seien unbehüpfbar.

In der Pause kommt es zum Äußersten: Der Hool prollt erst rum und schläft dann ein; zu viel Limo? Die Hoolin geht in sich und schreibt einen Brief an Lukas Podolski. Das ist es, was diese Hooligans zu den schlimmsten macht. Mit Härte ist ihnen nicht beizukommen, ihre Methoden sind so variabel wie perfide. Voller Angst warten wir auf das nächste Spiel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.