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Kolumne B-NoteDer Punk des Hochsprungs

Hochspringer Iwan Uchow hat eine wilde Mähne, geht betrunken zu Wettkämpfen und gewinnt im Straßenshirt die Goldmedaille. Er ist Punkrock.

Iwan Uchow findet seinen Sprunganzug nicht und springt in einem normalen Straßenschirt Bild: dapd

E s war der bizarrste Wettkampf dieser Spiele. Und das lag allein an Iwan Uchow, dem russischen Goldmedaillengewinner. Ungewöhnlich schon sein Äußeres: Mit kräftiger Statur und ungebändigten Haarwuchs auf dem Haupt würde sich Uchow bestens in einen Kosakenfilm oder eine Heavy-Metal-Band einfügen. Als Hochsprintger aber scheint Uchow fehlbesetzt: Deren Körper sehen gemeinhin anders aus, schmalgliedriger und länger.

Dass er, der sich bis zu seinem 18. Lebenjahr noch auf den Diskuswurf spezialisiert hatte, dennoch der Beste seines Fachs wurde, ist an sich bemerkenswert genug. Doch der 26-Jährige weist weit außergewöhnlichere Abweichungen vom Idealtypus des Leistungssportlers auf. Im schweizerischen Lausanne trat er einst betrunken bei einem Wettbewerb an – und plumpste unter der nur auf 1,80 Meter hoch gelegten Latte durch wie ein nasser Sandsack. Auf YouTube ist der Filmmitschnitt ein millionenfach geklickter Hit.

taz
Johannes Kopp

ist Redakteur im Olympiateam der taz.

Auch in London benahm sich Uchow völlig anders als seine Kollegen. Nachdem er etwas verpeilt seinen eng anliegenden Sprunganzug verlegt hatte, suchte er nicht lange danach und bat auch nicht um Aufschub, sondern zog sich kurzerhand ein gewöhnliches T-Shirt über, steckte es nicht einmal in die Hose und übersprang die 2,33 Meter. Ausgerechnet der Olympiasieger schien für einen Moment die Wiederauferstehung des Amateursports zu verkörpern.

Die Glückwünsche des Zweiten zum Sieg nahm Uchow wenig später offenbar nur an, weil er ihm den Handschlag schlecht verweigern konnte. Und während der beseelte Robert Harting mit der Deutschlandfahne seine Ehrenrunde zelebrierte, als ob ihn der Olympiasieg zu einem anderen Menschen gemacht hätte, zeigte Uchow keinerlei emotionale Regung.

Kühl verließ er alsbald das Stadion. Man konnte glauben, er hätte noch etwas Besseres vor an diesem für ihn vermeintlich so historischen Abend. Ein raubeinig wirkender Russe übt sich in britischem Understatement. Die Botschaft: Auch ein Olympiasieg ist nur von relativem Wert.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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