Kolumne Ayol: Officer, you are dismissed!
Diskriminierungen an Flughäfen sind nicht unbekannt. In Amsterdam prüft die Polizei selbst das Urlaubsbudget von Transmenschen. Wer zu wenig hat, wird verhaftet.
Nach einer langen Zeit, hallo liebe taz-Leser*innen! Aufgrund von einigen gesundheitlichen Problemen musste ich eine kleine Pause einlegen. Ich danke allen, die mich in dieser Zeit unterstützt haben. Trotz allem habe ich versucht aktiv zu bleiben. In den vergangenen Wochen habe ich am „unemployed Journalists“-Projekt der Nachrichtenplattform bianet teilgenommen, war Sprecherin auf diversen Panels in Berlin, Bonn und Brüssel und wurde zur Amsterdam Pride nach Holland eingeladen.
Hundert Euro
Leider war nicht alles, was ich in dieser Zeit erlebt habe, positiv. Am Flughafen Köln/Bonn hatte ich eine Begegnung der dritten Art und wurde an der Passkontrolle von Polizisten wegen Nichtigkeiten bedrängt. Ähnliches erlebte in Amsterdam.
„Ungenügend!“ dachte die Flughafenpolizei offensichtlich, als sie den Inhalt meines Portemonnaies sahen. 100 Euro seien zu wenig für einen Aufenthalt von sieben Tagen. Ich wurde festgenommen und gegen mich wurde eine Ermittlung eingeleitet.
Mein Blutdruck schoss in die Höhe und ich verlangte sofort nach einem Arzt. Als einer der Polizisten mich dann abschätzig fragte „können Sie sich das denn leisten?“ – in Holland seien sind Arztkosten sehr teuer – fühlte ich mich wie in dem Film „Pretty Woman“.
Nicht die Laune verderben
„Das Recht auf Gesundheit ist ein Grundrecht und so eine Frechheit passiert Ihnen nicht einmal in Istanbul“, konterte ich zurück. Doch die Polizisten hatten weder die nötige intellektuelle noch emotionale Intelligenz das zu verstehen.
Nachdem ich knapp zwei Stunden in Gewahrsam war, holten mich meine Gastgeberinnen, die Transaktivistin Petra van Dijk und die LGBTIQ Aktivistin Jolanda van Gool ab. Auf keinen Fall konnte dieser Chauvinismus, der uns überall begegnet, mir die Laune verderben. Denn ich habe keine Zeit für sexistische, transphobe Polizisten. Officer, you are dismissed!
Nach diesem holprigen Start hatte ich in Holland die Gelegenheit, einige interessante Menschen kennenzulernen. Der Jurist Engin Evren von Amnesty International Nederland ist einer davon. Eine äußerst gut aussehender und charismatischer Mensch.
Othering in Europa
Wir unterhielten uns über die Entwicklungen und aktuellen Ereignisse in der Türkei. Beim Mittagessen sagte ich ihm, die Situation für LGBTQ*-Menschen wird in Amsterdam, im Vergleich zu Istanbul, besser sein.
Allerdings entgegnete Engin Bey, dass auch es keinen so großen Unterschied gebe. „Wenn ich mit meinem Boyfriend Hand in Hand durch die Straßen laufe, erlebe ich auch othering.“ Wenn also Engin Bey selbst in Amsterdam diese Erfahrung macht, dann ist Homo-, Bi- und Transphobie immer noch ein Problem in Europa.
Als nächstes habe ich die Transaktivistin Corine van Dun getroffen. Sie ist Mitglied in der linksliberalen Partei Democraten 66 und in der Organisation Transgender Netwerk Nederland aktiv. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters engagiert sie sich tagtäglich für Geschlechtergerechtigkeit.
„Regenbogensprache“
Corine findet, dass die maskuline Sprache der Medien sich unbedingt verändern muss. Hierzu müsse die „Regenbogensprache“ Einzug in Medien, Politik und Wissenschaft einhalten. Außerdem müssen endlich überall „all gender“ Toiletten eingeführt werden. Denn eine Toilette ist eben nur eine Toilette. Da kann ich mich nur anschließen. Sie hat eine wunderbare Energie. Ich danke ihr für ihre wertvollen Beiträge zur Gesellschaft.
Als letztes habe ich Nevin Özütok, Abgeordnete der GroenLinks-Partei kennengelernt. Eine starke Frau, die seit ihrer Kindheit für ihre Identität kämpft: „Wie du siehst, sind wir trotz allem hier und kämpfen weiter. Du darfst nicht aufgeben.“ Auch sie verfolgt intensiv die Frauenbewegung in der Türkei und hat betont, dass sie speziell in Bezug auf Transmenschen für jede Art von Hilfe bereit ist. Ein Hinweis an alle, die im Bereich der Rechte von Transmenschen engagiert sind.
#Pressefreiheit
Apropos Rechte: Niemals zuvor waren so viele Journalist*innen in der Türkei verhaftet. Der Journalist Deniz Yücel befindet sich seit neun Monaten in Einzelhaft. Hunderte weitere Kolleg*innen befinden sich mit dem Vorwurf der Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer Terrororganisation in Gefängnissen.
Diese Schande wird in die Geschichte eingehen. Und das in Zeiten, wo die Mörder von Uğur Mumcu und Hrant Dink weder gefasst noch verurteilt wurden. Und es ist wohl die größte Dummheit, feministische Journalistinnen, die sich stets gegen das Patriarchat gewehrt haben, als „Terrorist*innen“ zu bezeichnen. #FreeDeniz #FreeThemAll
Frieden wird siegen
Oh my God! Wieso bloß stellst du uns vor solch eine Prüfung, ayol. Alle inhaftierten Kolleg*innen, sowie Jurist*innen und Politiker*innen der HDP und CHP werden sicher eines Tages wieder frei sein. Denn der Frieden wird siegen.
Ich schicke auch ganz herzliche Grüße an die kürzlich entlassenen zehn Menschenrechtler, darunter die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International. Idil Eser, mein Herz, du mutige Frau, ich liebe dich. Ay Ay Ay, wie gut, dass es Frauen gibt, ayol.
Verbleibt in Liebe und Freiheit.
Notiz: Diese Kolumne widme ich der Europaabgeordneten Kati Piri, sowie der hochverehrten Emma Sinclair-Webb, Direktorin der Abteilung Türkei bei Human Rights Watch, die beide Transphobie und Diskriminierungen im türkischen Medienbetrieb ignorieren.
Aus dem Türkischen von Canset Içpınar