Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Urlaub, Hitze, Langeweile
Das Paradies ist langweilig? Oder wer sich langweilt, ist wunschlos unglücklich? Mitnichten. Ein Lob des Zeitvertrödelns.
Längere Aufenthalte in Südspanien oder Tunis bei fast 50 Grad haben mich überzeugt: Das Leben im Dämmerzustand für ein paar Wochen ist in der Nachwirkung enorm belebend. Dieser somnambule, sommerliche Trance-Zustand hinter tagsüber verdunkelten Fensterläden, diese Leere und Ziellosigkeit schärft die Sinne und klärt den Geist. Das Paradies ist langweilig? Oder wer sich langweilt, ist wunschlos unglücklich? Mitnichten.
Statt bei einer Gruppenreise immer an die Hand genommen zu werden, statt im Club von morgens bis abends dauerbespasst zu werden, statt die Gipfel im Adrenalinrausch zu erklimmen, liebe ich im Urlaub das Nichttun, die große Langeweile. Am liebsten in heißen Ländern, wo man sich bei jeder Gelegenheit den Schweiß von der Stirn wischt und seufzend aufs Sofa zurücksinkt: denn es ist ja so heiß!
Die Hitze als Alibi fürs Nichtstun, auf jeden Fall ein Einstieg für Ungeübte, für Gejagte, denen im Rest des Jahres das Effiziens-Diktat den Rhythmus vorgibt. Die protestantisch Arbeitsethik unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen, es ist längst Allgemeinwissen, hat dem kontemplativen Leben ein schlechtes Gewissen gemacht.
Langeweile macht kreativ
Linda Caldwell von der Penn State University hat das Freizeitverhalten von Jugendlichen erforscht. „Einer der Gründe, warum viele Kinder und Jugendlichen nichts mit sich anzufangen wissen, ist paradoxerweise, dass sie sich noch nicht genug gelangweilt haben, weil die Freizeit vieler Kinder heute mit Inhalten gefüllt und durchstrukturiert sei“, sagt sie. Es fehle ihnen dadurch häufig die Fähigkeit, aktiv die eigenen Interessen wahrzunehmen und zu verfolgen. ihr Fazit: Kinder müssen sich langweilen, um kreativ zu sein.
Erwachsene auch. Der altbackenen Muße frönen, Zeit vertrödeln, verschlafen, verschwenden – der Urlaub könnte die große Vergeudung bei günstigen äußeren Lebensbedingungen sein. Eigenzeit ohne Sklaverei des Terminkalenders. Zeit des guten Lebens, statt sich zu Tode amüsieren.
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