Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Sie läuft und läuft und läuft
Christine Thürmer hat mehr als 30.000 Kilometer auf Langgstreckenwegen zurück gelegt. Sie ist ein radikaler Outdoor-Junkie mit Managementqualitäten.
C hristine Thürmer ist ein Phänomen. Die 1,85 Meter große, kräftige Frau wurde von einer erfolgreichen Firmensaniererin zur rekordverdächtigen Langstreckenläuferin, die ihre Routen mit Excel-Tabellen plant. Ihr Rucksack ist auf 6 Kilo reduziert, die aufgeschnittene Plastiktüte dient als Regenrock und Zeltunterlage zugleich. Sie übernachtet meistens in ihrem Einwandzelt (1.046 Gramm), in einem Kunstfaserschlafsack (720 Gramm) und auf einer Isomatte (340 Gramm).
So gerüstet, ist sie dreimal von Kanada nach Mexiko gelaufen. Auf den legendären amerikanischen Routen: dem Pacific Crest Trail, dem Continental Divide Trail, dem Appalachian Trail. Danach zweimal quer durch Europa und durch Australien. Ihr Buch „Laufen. Essen. Schlafen.“ ist ein Bestseller. Ihre Lesungen – häufig in Outdoor-läden – sind bestens besucht.
Liest man ihr Buch, erschließt sich einem die Leidenschaft fürs Langstreckenwandern nur sehr bedingt. Es erzählt von den Bedingungen unterwegs, von Logistik, von unspektakulären Begegnungen. Es erzählt kaum etwas über Christine Thürmer „auf der „inneren Suche“, nur wenig von den durchwanderten Regionen. Es ist eine Erzählung ohne Spannungsbogen, die wie ein Wandertag in einsamster Natur vor sich hin plätschert.
Christine Thürmer: „Laufen. Essen. Schlafen. Eine Frau, drei Trails und 12.700 Kilometer Wildnis“. MaIik-Verlag 2016, 17,50 Euro
Christine Thürmer bezeichnet sich selbst als „Outdoor-Junkie.“ Sie wandert am liebsten allein. Angst scheint ihr fremd. Sie kultiviert einen ehrgeizigen Autismus und die Begrenzung aufs Nötigste. Ihre vollkommene Reduktion beim Essen, Schlafen, Leben ist in Zeiten immer ausgeklügelter Rezepte schon wieder exotisch. Tütensuppe und der schnelle Schokoriegel zwischendurch statt veganer Spitzfindigkeiten. Der Flow, das Suchtpotenzial erschließt sich wahrscheinlich nur dem gleichgesinnten Outdoorfreak. Das das Buch dennoch ein Erfolg ist, liegt an der Radikalität, mit der Christine Thürmer läuft und läuft …
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