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Kolumne Aufgeschreckte CouchpotatoesWettlauf von Hase und Igel

Edith Kresta
Kolumne
von Edith Kresta

Die Bildungsreise ist ein touristisches Auslaufmodell, das Weltkulturerbe hinlänglich bekannt. Im Trend: der Kochkurs in Hanoi.

Bilder, die man im Kopf hat. Bild: imago/almdi

D as ägyptische Theben, Chinas Verbotene Stadt, die Tempelanlage von Ankor Wat, die römischen Bauten von Trier oder die Inka-Hochburg Machu Picchu – Weltkulturerbe zieht Touristen an. Mein Schwager Heinz kennt sich aus mit den historischen Stätten der Welt. Faktenreich erzählt er davon. Ein Histörchen jagt das nächste. Heinz ist ein Weltensammler dank Arte Doku und Reisesendungen wie „wunderschön“, „Voxtours“, „Reiselust“, „Wolkenlos“, „Abenteuer Reisen“. Er liebt diese. Dabei ist sein Konsumentenprofil enttäuschend: Die Sendungen führen in ferne Welten – und viele sofort danach ins Reisebüro. Nicht Heinz. Er reist nie.

Es ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel: Heinz war immer schon da, wenn Freunde zurückkommen und von ihren Reisen erzählen wollen. Er kennt die ganze Welt. Und er kennt sie am besten. Er pflegt eine pedantische Leidenschaft fürs Detail.

Eigentlich geht er damit mächtig auf die Nerven. Nicht nur mir. Machu Picchu als Sofareisender zu sehen ist die eine Seite, es riechen, besteigen und im Tross von 2.000 Touristen zu schwitzen eine andere. Ich finde, ihm fehlt die Erfahrung, das sinnliche Erleben, Weltläufigkeit, Mobilität. Er verhalte sich CO2-neutral, meint er. Und überhaupt: Erosion und Schäden an Ruinen und historischen Stätten gäbe es viel weniger, wenn man diese nur betrachte und nicht betrete, stilisiert er sich zum Umweltschützer.

Bild: Wolfgang Borrs
Edith Kresta

ist Reiseredakteurin der taz.

Als Ilse, meine Schwester, seine Frau, vor Kurzem mit einem Studienreiseveranstalter nach Vietnam fahren wollte, hat er stundenlang über die Geschichte der Altstadt von Hoi An, am Nordufer des Thu-Bon-Flusses doziert. Er war wieder mal vor ihr da. Sie hat dann eine Begegnungsreise mit Künstlern, Priestern, Frauen gebucht, inklusive Kochkurs in Hanoi. Da musste er passen. Kulturelle Gepflogenheiten, Alltagserfahrung, das Leben, die Küche sind nicht seins.

Nun hat sie was zu erzählen und alle lauschen interessiert. Ihm dämmert, dass sein unsinnliches Faktenwissen, sein klassisches Bildungsgehabe zumindest beim Fernweh ein Auslaufmodell ist. So wie womöglich Besserwisser wie er.

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Edith Kresta
Redakteurin
Schwerpunkte: Reise und Interkulturelles. Alttazzlerin mit Gang durch die Institutionen als Nachrichtenredakteurin, Korrespondentin und Seitenverantwortliche. Politologin und Germanistin mit immer noch großer Lust am Reisen.
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1 Kommentar

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  • TS
    Thomas Sch.

    Wer in der Hotelanlage bleibt, versaut jedenfalls keine Kulturen. Wenn ich jedoch so sehe, wie unsere kulturbereichernden "Reisenden" aus Prenzelberg in jedes noch so abgelegene Dorf einfallen und die Bewohner dort schon mal mit ihrer extrem unpassenden Mistkleidung verschrecken, und mir dann noch Sprüche von denen anhören muß, langt´s mir schon wieder. Er in dreiviertel-Hosen und stacheligen Beinen und in Sandalen macht sich vor der dortigen männlichen Dorfbevölkerung schon mal lächerlich und merkt es nicht mal. Sie läßt ihre Dinger frei im tief ausgeschnittenen T-Shirt baumeln und hat natürlich auch sonst weder Schultern noch Arme noch Knie bedeckt und auch sie ahnt nicht, wie sie von der weiblichen Bevölkerung angesehen wird. Aber mir in der Hotelbar was von der benachteiligten Bevölkerung und Kolonialismus was erzählen wollen und den aufgeklärten Bürger geben. Kotz.