Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Es war Liebe, Sex auch
Beim Sex habe sie in den zwei Wochen nachgeholt, was sie den Rest des Jahres vernachlässigt habe, immerhin. Sonne, Sand und Emotionen.
S eit Monika den Film „Paradies/Liebe“ von Ulrich Steidl gesehen hat, glaubt sie gar nicht mehr an die Liebe an fernen Stränden. Zweimal hat sie es versucht. In Ägypten. Enttäuschend. Der Film habe ihr den Rest gegeben. „Völlig deprimierend diese gegenseitige Ausbeutung und falschen Erwartungen zwischen älterer, alleinstehender Europäerin und knackigem, aber armem Einheimischen“, sagt sie. Sie habe wieder auf Hausmannskost umgestellt, gesteht sie beim dritten Gin Tonic und trister Jahresendstimmung.
Markus sah gut aus. „Groß, breitschultrig, grüne Augen, dichtes, blond gelocktes Haar“, schwärmt sie. Ein Charmeur und Abenteurer. Einer, der eigentlich allein reist, den Kilimandscharo besteigt, nichts anbrennen lässt. In ihrer Portugal-Radgruppe war er der Reiseleiter. Von allen Damen geliebt und begehrt.
Sie kuschelten bei Sonnenuntergang, warfen Steinchen ins Meer, tranken Rotwein beim Kerzenschein, wenn die anderen schliefen. Die Zeit schien unendlich, der Himmel so blau, der Mann großzügig, einfühlsam, stark, klug. Unbeschwertheit, Romantik, Leidenschaft. Beim Sex habe sie in den zwei Wochen nachgeholt, was sie den Rest des Jahres vernachlässigt habe, strahlt Monika.
Immerhin. Dass auch der braun gebrannte Traumprinz zum Frosch wurde, lag am Regen. Ein Buchungsfehler sozusagen. Mit fehlender Sonne – kein Wunder Mitte Oktober – erlosch auch sein Glanz. „Als nichts mehr so klappte wie geplant, wurde er nervös“, seufzt Monika. „Unfreundlich, unangenehm.“ Und als sie auch noch völlig unschuldig die Schönheit eines portugiesischen Kellners lobte, an dessen Bar sie den verregneten Nachmittag abgehangen hatten, zog er sie ununterbrochen beleidigt mit ihrem „el Guapo“ auf. Immer wieder. Bis sie genervt die Lust verlor auf ihn, an ihm und vor allem an seiner kleinlichen Gekränktheit.
Männer, besonders Platzhirsche, können Komplimente oder Blicke für einen anderen nicht ab“, tröste ich. Und Liebe auf Reisen sei sowieso selten zukunftsfähig. „Liebe zu Hause auch nicht“, seufzt Monika und bestellt den vierten Gin Tonic.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!