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Kolumne American PieSkandal im Tal des Glücks

Kolumne
von Thomas Winkler

Der Football-Trainer Joe Paterno von der Pennsylvania State University wird posthum der Vertuschung von Missbrauchsfällen bezichtigt. Seine Legende bröckelt.

Schattenseiten einer Football-Statue: Joe Paterno kann sich nicht mehr gegen die Vorwürfe wehren. Bild: dpa

D ie Stimmung war schon besser im Tal des Glücks. Es gibt kaum eine Gegend in den USA, in der die Kriminalität so niedrig, der Lebensstandard so hoch und die Zufriedenheit der Bevölkerung so ausgeprägt ist wie in der Region um das kleine Städtchen State College, das die Pennsylvania State University beheimatet.

Aber seit im vergangenen November ein Kindesmissbrauchsskandal an dem College aufgedeckt wurde und der abgöttisch verehrte Football-Trainer Joe Paterno ins Zwielicht geriet, ist Streit an der Tagesordnung. Fast täglich kommen neue Details ans Licht.

Nun haben sich drei weitere Männer gemeldet, die behaupten, als Kinder von Jerry Sandusky missbraucht worden zu sein. Der 68-jährige Sandusky war lange Jahre Assistenztrainer des legendären Paterno, der die Penn State Nittany Lions zu einer der erfolgreichsten College-Mannschaften formte, die der Universität Millionen Dollar einbrachte.

Bereits im Juni war Sandusky von einem Gericht schuldig befunden worden, zwischen 1994 und 2009 zehn Jungen in 45 Fällen missbraucht zu haben. Die neuen Anschuldigungen sind deshalb wichtig, weil sie bis in die frühen siebziger Jahre zurückreichen.

Glaubenskrieg um das Vermächtnis

Bild: privat
THOMAS WINKLER

ist Autor der taz.

Die Verteidigung von Sandusky, der weiterhin behauptet, unschuldig zu sein, hatte versucht, die Anklage mit dem Hinweis infrage zu stellen, dass sich pädophile Neigungen nicht erst in fortgeschrittenem Alter entwickeln. Entsprechen die neuen Vorwürfe der Wahrheit, wäre diese Strategie hinfällig.

Aber über Sandusky, dessen Strafmaß noch nicht feststeht, gibt es mittlerweile keine zwei Meinungen mehr. Im Zentrum des Glaubenskrieges, der im „Happy Valley“ geführt wird, steht vielmehr das Vermächtnis von Paterno. Der Football-Coach hat in 45 Jahren Amtszeit nicht nur so viele Siege angehäuft wie kein anderer, sondern schien sein Programm auch so geleitet zu haben, dass er als moralisches Vorbild in einem zusehends verkommenen Geschäft galt.

In keiner anderen Uni, die so erfolgreich im Football war, machten so viele Spieler auch ihren Abschluss, und Paterno dozierte als gut bezahlter Redner über Führungsqualitäten und Charakterbildung. Doch das Image des Trainers hat nun tiefe Risse bekommen.

Noch im November, als der Coach auf dem Höhepunkt des Skandals entlassen wurde, waren Studenten und Penn-State-Ehemalige protestierend und randalierend durch die sonst so ruhigen Straßen von State College gezogen.

„Gefühllos und auf schockierende Weise“

In einem vergangene Woche veröffentlichten Untersuchungsreport wird nun mithilfe von E-Mails und handgeschriebenen Notizen nicht nur nachgewiesen, dass Paterno sehr viel früher von den Vorwürfen gegen seinen Assistenztrainer wusste, als er noch zu Lebzeiten zugegeben hatte. Der Coach soll 2001 außerdem verhindert haben, dass Universitätsfunktionäre die Vorwürfe gegen Sandusky an die zuständigen Kinderschutzämter meldeten.

Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Paterno und weitere College-Offizielle ihre Pflichten gegenüber den minderjährigen Opfern „gefühllos und auf schockierende Weise“ vernachlässigt hätten. Paterno selbst kann sich nicht mehr wehren, er ist im Januar im Alter von 85 Jahren gestorben, ohne sich umfassend zu dem Skandal geäußert zu haben.

Das übernimmt nun seine Familie, die am Montag ein Statement herausgab, in dem die Anschuldigungen zurückgewiesen werden, ohne allerdings neue Informationen vorzulegen. Stattdessen wird Louis Freeh, einem Ex-FBI-Direktor und dem Verfasser des 267-seitigen Reports, vorgeworfen, er würde „Meinungen und Interpretationen als absolute Fakten präsentieren“. Doch die Pro-Paterno-Front bröckelt.

Immer unverhohlener wird gefordert, die Statue von Paterno zu entfernen, die bereits zu seinen Lebzeiten errichtet worden war vor dem stets ausverkauften Beaver Stadium. Die Universitätsleitung ließ wissen, es sei noch keine Entscheidung getroffen, ob man das Denkmal schleifen werde.

Death penalty

Fraglich ist sogar, ob in der 106.000 Zuschauer fassenden Arena bald wieder Football gespielt wird. Die NCAA, die den College-Sport organisiert, denkt noch über eine Bestrafung für Penn State nach.

Schließlich hat die Universität gegen ihre Aufsichtspflicht verstoßen, als sie den Kindesmissbrauch vertuschte. Einige Kommentatoren fordern sogar den death penalty, der bedeuten würde, dass eine der traditionsreichsten Football-Mannschaften des Landes jahrelang vom Wettbewerb ausgeschlossen würde.

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