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Kolumne American PieVom Blitz getroffen

Jürn Kruse
Kolumne
von Jürn Kruse

So viele Rekorde wie Tampa Bay Lightning hat in der regulären Saison der NHL lange kein Team mehr gebrochen. Jetzt geht es in die Play-offs.

Zielsicher: Tampas Topscorer Nikita Kutscherow Foto: ap

D ie Spielplanmacher der Eishockeyliga NHL hatten eine Idee: Warum nicht in der Eastern Conference kurz vor Ende der regulären Saison einfach die großen, vor der Saison ausgemachten Favoriten nochmal aufeinander treffen lassen? Quasi als Appetitanreger für die Play-offs.

Und so spielten die Tampa Bay Lightning in den letzten vier Wochen noch zwei Mal gegen die Toronto Maple Leafs, ebenso oft gegen die Boston Bruins und gleich drei Mal gegen den amtierenden Stanley-Cup-Sieger, die Washington Capitals.

Das Team aus Florida steht seit November auf Platz eins in der NHL. Früh waren sie weit enteilt und jagten Bestmarke um Bestmarke, wenn nicht in der gesamten NHL-Historie, dann doch zumindest in der Geschichte des seit 1992 mitspielenden Eishockey-Unternehmens. Schon im Februar hatte das Team von Trainer Jon Cooper die 100 Punkte erreicht – in nur 63 Spielen. Lediglich die Montreal Canadiens hatten dafür vor gut 40 Jahren noch ein Spiel weniger gebraucht.

Und wenn die Spielplanmacher gehofft hatten, durch diese sieben Favoritenduelle am Ende der Saison nochmal allen zeigen zu können, dass nun auf der Zielgerade anderes Eishockey gespielt würde, dass es nun spannend würde und jegliche vorherige Dominanz nun gar nichts mehr zählte und Boston, Toronto und Washington den Eishockeyfans schon vorführen würden, wie ein Blitzableiter funktionierte, dann … tja … ist das eher nicht aufgegangen: Sechs der sieben Duelle gewannen die Tampa Bay Lightning. Zwei Siege gegen Boston, zwei Siege gegen Toronto, zwei Siege gegen Washington. Nur beim dritten Duell mit den Capitals Ende März bekamen sie beim 3:6 in der heimischen Arena ihre Grenzen aufgezeigt.

Schier unstillbarer Torhunger

62 ihrer 82 Spiele haben die Lightning in der regulären Saison schlussendlich gewonnen. Sie haben damit den Rekord der Detroit Red Wings aus der Saison 1995/96 eingestellt. Sie holten 128 Punkte, die viertmeisten in der NHL-Geschichte. Flügelstürmer Nikita Kutscherow sammelte 128 Scorerpunkte (41 Tore, 87 Vorlagen), so viele wie kein russischer Spieler in der NHL vor ihm, und die meisten seit 1995/96, als Mario Lemieux (161 Punkte) und Jaromír Jágr (149) von den Pittsburgh Penguins Platz eins und zwei der Scorerliste belegten. Kutscherow war dabei nur einer von drei Lightning-Spielern – neben Steven Stamkos (45) und Brayden Point (41) – mit mehr als 40 Toren in dieser Saison. Auch das schafften zuletzt die Pittsburgh Penguins 1995/96 (Lemieux, Jágr, Petr Nedwed).

Unnötig zu erwähnen, dass Tampa die meisten Tore geschossen hat, die beste Powerplay-Statistik und das beste Penalty-Killing aufweist. Lightning war in den letzten vier Jahren zwei Mal im Conference-Finale und einmal im Endspiel um den Stanley Cup. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag starten sie gegen die Columbus Blue Jackets in die Play-offs. Sie haben in dieser Saison drei Mal gegen das Team aus Ohio gespielt. Bilanz aus Sicht Tampas: drei Siege, 17:3 Tore.

Tampa ist so sehr zum Siegen verdammt, dass die NHL einen Play-off-Trailer gedreht hat, der auf die große Chance der Verlierer der vergangenen Jahre abzielt. Im Mittelpunkt natürlich: Steven Stamkos, der in der Kabine sitzt und über die verlorenen Finals redet: „Hart“ sei das gewesen, „sehr emotional“. „Du weißt nicht, ob und wann du diese Chance jemals wieder bekommst – und du hast sie dir einfach durch die Finger gleiten lassen“, sagt der Lightning-Kapitän. Am Ende des Trailers stehen zwei Sätze: „Diesmal könnte das letzte Mal sein. Geh nicht mit leeren Händen.“

Die NHL hätte auch gleich sagen können: „Wir wollen ja keinen Druck machen, liebes Lightning-Team, aber ihr wisst schon …“ Dabei spricht die Historie gegen einen Stanley-Cup-Sieg von Tampa: In den vergangenen zehn Jahren konnte nur ein einziges Mal die Mannschaft, die als punktbestes Team der Saison die Presidents’ Trophy erhielt, am Ende auch die wichtigste Eishockey-Trophäe der Welt in die Höhe stemmen.

Weder die erwähnten Red Wings noch die Pittsburgh Penguins holten in ihrem Rekordjahr 1995/96 den Stanley Cup. Sie kamen noch nicht einmal ins Finale.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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